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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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schneiden die Kartenschnapper mich bei lebendigem Leib in Streifen. Dann lasse ich mich lieber von Euch ins Rasphuis sperren.«
    »Das kann schnell geschehen. Aber behaltet Euer Wissen ruhig für Euch. Wichtig ist nur, daß Ihr Verbindung zu den Kartenschnappern aufnehmt und ihnen sagt, was ich Euch gesagt habe. Dann kommt Ihr zu mir und teilt mir den neuen Treffpunkt mit. Ihr wißt ja, wo Ihr mich findet.«
    »Was ist, wenn die gar kein weiteres Treffen wollen? Vielleicht trauen sie Euch nicht mehr.«
    »Ihr solltet sie in Eurem eigenen Interesse von meiner Redlichkeit überzeugen, Dircks!« sagte Katoen und kitzelte den Hals des Kupplers mit der doppelten Mündung seiner Waffe.

K APITEL 12
    Die Waffen einer Frau (1)
    F REITAG , 12. M AI 1671
    A m Freitagmorgen war von der Kälte der vergangenen Nacht nicht mehr viel zu spüren. Der Wind hatte sich gelegt, und kaum eine Wolke hing am Himmel. Die verheißungsvollen Strahlen der über den Dächern Amsterdams aufsteigenden Sonne entfalteten ungehindert ihre wärmende Kraft und steigerten Katoens gute Laune noch, als er sich auf den Weg zur Gravenstraat machte, um Joan Blaeu zu berichten, daß es neue Hoffnung gab. Zwar war nicht gewiß, daß die Kartenschnapper sich auf ein zweites Treffen einließen, doch er vertraute der Überredungskunst des Kupplers Dircks. Der wußte, was ihm blühte, wenn Katoen die Vorkommnisse in der Sargmacherei zur Anzeige brachte, und würde sich anstrengen, die Kartenschnapper von Katoens ehrlichen Absichten zu überzeugen. Ein erfolgreicher Rückkauf der gestohlenen Karten wiederum würde ihm, so hoffte Katoen, das Vertrauen des Kartenmachers einbringen, und das würde ihm helfen herauszufinden, warum Blaeu sich über das Manuskript des Kreuzfahrers ausschwieg.
    So zumindest malte Katoen es sich aus, während er die frische Luft einatmete und begann, ein fröhliches Lied zu pfeifen, denn ihm schien, daß an diesem Morgen alles pfiff und sang, nicht nur die Vögel, die in den Bäumen und auf den Dächern saßen. Auch die alltäglichen Laute der geschäftigen Stadt klangen in seinen Ohren wie eine heitere Melodie: die Kommandos der Fuhrleute, die ihre Schlittengespanne antrieben; das Schnaufen der Pferde und Ochsen; die Rufe der Marktweiber, die ihre Waren anpriesen; das muntere Plappern der Hausfrauen, die zum Markt unterwegs waren; das Kratzen der Scheuerbürsten, mit denen die Dienstmägde die Hauseingänge und das Straßenpflaster davor reinigten; das Klappern des Geschirrs, das aus den Wirtshäusern und Garküchen drang; das Kläffen der Straßenköter, die sich um ein paar Abfälle zankten. All das ergab für ihn das Lied einer gedeihenden Stadt, eines aufstrebendes Volkes, und er fiel wie von selbst mit seinem Pfeifen ein.
    Das Konzert endete abrupt, als er in der Nähe von Joan Blaeus Werkstatt mit einer Frau zusammenstieß, deren Hast ungleich größer war als die Aufmerksamkeit, die sie ihren Mitmenschen schenkte. Sie trug ein schmuckloses Kleid in schlichtem Braun und hatte ein helles Tuch um den Kopf geschlungen. Sie war so in Eile, daß sie ohne ein Wort der Entschuldigung weitergehen wollte, in dieselbe Richtung wie Katoen. Er aber packte sie am Oberarm und hielt sie fest.
    »Anna?«
    Sie wandte sich zu ihm um, und ihr schmales Gesicht, das eben noch verkniffen gewirkt hatte, hellte sich ein wenig auf. »Oh, Ihr seid das, der Amtsinspektor Katoen. Verzeiht, daß ich Euch nicht gleich erkannt habe, aber ich muß mich sehr sputen.«
    Anna Swalmius schien von großer innerer Unruhe getrieben. Als Katoen ihren Arm losließ, spürte er, wie sehr es sie drängte, ihren Weg fortzusetzen.
    »Dieser schöne Morgen ist nicht zum Hetzen geschaffen«, sagte er lächelnd. »Wohin wollt Ihr so dringend?«
    »Zu Joan Blaeu, dem Kartenmacher.«
    Katoen machte aus seinem Erstaunen keinen Hehl. »Wirklich? Dann haben wir denselben Weg. Aber Eure Eile verstehe ich dennoch nicht.«
    »Mein Vater ist mir schon wieder fortgelaufen«, erklärte sie in gequältem Ton. »Ich hoffe, ihn dort zu finden.«
    »Bei Joan Blaeu? Wie kommt Ihr darauf?«
    Wortlos nahm sie ein paar bedruckte Bögen Papier aus dem dünnen Beutel, der an ihrer Hüfte hing, und reichte sie Katoen. Es war die neueste Ausgabe des Amsterdamer Morgens, und Anna zeigte auf einen Artikel auf der zweiten Seite.
    Neues Buch für Tulpenfreunde
    Der bekannte Amsterdamer Verleger Joan
Willemszoon
Blaeu null ein neues Buch drucken für alle Freunde der Tulpe und solche, die es werden

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