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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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wollen.
    In dem Band, den Blaeu in seiner neuen Druckwerkstatt in der Gravenstraat herzustellen gedenkt, sollen die Schönheiten der Tulpe und die Vorzüge, die man dank der Beschäftigung mit ihr erfährt, gepriesen werden.
    Der Verleger selbst ist ein großer Tulpenfreund und gehört jenen ›Verehrern der Tulpe‹ an, die sich durch ihre Wohltätigkeit in ganz Amsterdam einen Namen gemacht haben. Meister Blaeu nennt es sein Ziel, mit dem Buch, dessen Beiträge von namhaften Tulpenkennern stammen, das Ansehen der Tulpe zu heben und dieser Blume wieder zu der allgemeinen Wertschätzung zu verhelfen, die sie vor der Katastrophe besaß, mit der das
Tulpenfieber vor mehr als
dreißig Jahren seinen traurigen Höhepunkt erreichte.
    Sobald Katoen den Artikel gelesen hatte, war ihm klar, weshalb Anna so eilig zu der Werkstatt des Kartenmachers wollte. »Ihr befürchtet, daß Euer Vater bei Joan Blaeu aus der Haut fährt, wie er es auch bei Willem van Dorp getan hat, nicht wahr?«
    »Ja, ich ahne das Schlimmste. Vater wird alles tun, um das Erscheinen dieses Tulpenbuches zu verhindern.«
    »In Blaeus Werkstatt wird man schon mit ihm fertigwerden.«
    »Das eben befürchte ich. Mein Vater ist alt und schwach, ihm kann leicht etwas zustoßen.«
    Katoen gab ihr die Zeitung zurück. »Ihr solltet Eurem Vater keine Zeitungen zu lesen geben, wenn er sich gleich derart aufregt.«
    »Ach, nein? Er hat mit seinem Vermögen auch die Welt verloren, in der er lebte. Wollt Ihr ihm jetzt obendrein noch sein einziges Vergnügen nehmen, das darin besteht, über die Welt zu lesen?«
    Seine Worte schienen Anna verletzt zu haben, was nicht in seiner Absicht gelegen hatte. Er hätte sie gern getröstet und seines Mitgefühls versichert, doch ihm fehlten die passenden Worte. Also sagte er nur: »Laßt uns zusammen zu Blaeus Werkstatt gehen und sehen, ob wir Euren Vater da finden.«
    Die Tür zur Werkstatt stand offen, aus dem Innern drangen tumultartige Geräusche. Katoens Blick kreuzte den seiner Begleiterin, sie wußten, daß sie beide dasselbe dachten: Sybrandt Swalmius ist hier!
    Anna stürmte hinein, Katoen folgte ihr. Sie brauchten nur dem Lärm nachzugehen. In dem Raum mit den Druckerpressen trafen sie auf Joan Blaeu und zwei seiner Angestellten. Die beiden letzteren hielten mit Mühe einen sich wie wild gebärdenden Sybrandt Swalmius fest. Obwohl sie viel jünger waren als der Tulpenhasser, schien er den beiden an Kraft ebenbürtig zu sein. Er zappelte und strampelte so heftig, daß Katoen befürchtete, er könne sich selbst verletzen. Als er jedoch seine Tochter erblickte, beruhigte er sich und unternahm keinerlei Anstrengung mehr, sich aus dem festen Griff der beiden Männer zu winden.
    Joan Blaeus verärgertes Gesicht hellte sich auf, als der Amtsinspektor eintrat. »Mijnheer Katoen, wie gut, daß Ihr da seid, genau im rechten Augenblick! Helft mir, diesen Wahnsinnigen loszuwerden!«
    »Sprecht nicht so über meinen Vater!« herrschte Anna ihn an. »Er war schon mit Eurem Vater befreundet.«
    »Bevor der Wahnsinn Besitz von ihm ergriffen hat«, schnaubte Blaeu.
    Anna funkelte ihn böse an. »Ihr wißt genau, warum er so geworden ist.«
    »Weil er sein ganzes Vermögen verspekuliert hat, ja. Wenn Ihr mich fragt, ist das keine Empfehlung für einen Mann und auch keine für seine geistige Gesundheit.«
    Während des Wortwechsels mußte die Aufmerksamkeit der beiden Angestellten, die Swalmius weiterhin festhielten, nachgelassen haben. Eine schnelle, ruckartige Bewegung des Alten, der eben noch ganz ruhig dagestanden hatte, und er hatte sich losgerissen. Flink wie ein Wiesel lief er hinaus auf den Gang.
    »Was steht Ihr so dumm da?« fuhr Blaeu die beiden Männer an. »Lauft ihm nach! Wenn er irgendwelchen Schaden anrichtet, ziehe ich es Euch vom Lohn ab!« Etwas leiser fügte er hinzu: »Bei dem alten Hungerleider ist ohnehin nichts zu holen.«
    Die beiden zogen pflichtschuldigst ein betroffenes Gesicht und folgten Swalmius mit mehr Eifer als Geschick. Beim Verlassen des Raumes behinderten sie sich gegenseitig, was dem Tulpenhasser einen kleinen Vorsprung verschaffte.
    Katoen und Anna folgten dem Alten und seinen Häschern. Katoen spürte eine vage Sorge in sich aufsteigen, aber er hätte nicht sagen können, ob sie wirklich dem verwirrten alten Mann galt oder nicht vielleicht doch dessen Tochter, zu der er sich trotz ihrer nüchternen, fast spröden Art hingezogen fühlte. Vielleicht rührte ihn die Hingabe, mit der sie sich für ihren

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