Die Tulpe des Bösen
erblickte, winkte er, und Katoen winkte zurück. Er freute sich auf die Bootspartie und auf das Wiedersehen mit Catrijn.
Hinter ihm lag ein geschäftiger Tag. Seine Büttel hatten sich um kleinere Delikte gekümmert, die in den vergangenen Tagen angezeigt worden waren, er selbst hatte sich unterdessen über die Zeit des großen Tulpenfiebers kundig gemacht und dann, bestärkt durch das Ergebnis seiner Nachforschungen, die Vorbereitungen für seinen nächtlichen Ausflug getroffen. Es war durchaus ungewiß, ob der erfolgreich sein würde, deshalb verdrängte er schnell jeden Gedanken daran. Jetzt wollte er nur die Stunden genießen, die vor ihm lagen.
Bruder und Schwester begrüßten ihn herzlich, und mit einem kleinen Sprung vom Kai gelangte er an Bord. Zu seiner Überraschung übernahm Catrijn das Ruder, während Nicolaas van der Zyl das Boot abstieß. Einen Augenblick lang sah es so aus, als würden sie zwischen einem auslaufenden Frachtschiff und einem einlaufenden Lastkahn zerquetscht werden, aber Catrijn steuerte die Jolle mit sicherer Hand zwischen beiden hindurch, und bald lag das offene IJ vor ihnen. Auch hier herrschte reger Schiffsverkehr, aber bei weitem nicht ein solches Gedränge wie im Damrak.
Strahlend sah Catrijn ihren Bruder an. »Nun sag, wie habe ich das gemacht?«
»Wie ein alter Seebär«, erwiderte der Amtsrichter und drückte ihr lachend einen Kuß auf die Wange.
»Ich hatte ja auch einen guten Lehrmeister«, sagte sie, und Katoen war klar, daß sie ihren Bruder meinte.
Sie sah hübsch aus in ihrem hellblauen Kleid und dem passenden Kopftuch, das mit ein paar blaßroten Blumen bestickt war. Katoen empfand beinahe so etwas wie Eifersucht, als der Amtsrichter sie küßte. Es war zwar ein brüderlicher Kuß, aber er sah es trotzdem nicht gern, wenn ein anderer Mann ihr so nahe kam.
»Willst du jetzt das Ruder übernehmen?« fragte sie.
Nicolaas van der Zyl winkte ab. »Aber nein, du machst das ganz hervorragend. Du bringst uns schon sicher übers IJ, und ich unterhalte mich derweil ein wenig mit unserem Gast.«
Er erkundigte sich nach dem Stand der Ermittlungen, und Katoen antwortete wahrheitsgemäß, daß es nur langsam vorangehe. »Ich fürchte, bis zum kommenden Montag haben wir den Tulpenmörder noch nicht. Ihr solltet lieber dafür sorgen, daß die ›Verehrer der Tulpe‹ diesmal ihre Zusammenkunft ausfallen lassen, denn wir müssen damit rechnen, daß er wieder zuschlägt.«
Van der Zyl schaute mißmutig drein. »Vielleicht ist es gerade das, was er beabsichtigt, er oder seine Auftraggeber. Dieser Hetzartikel im Volksblatt hat die Öffentlichkeit beunruhigt, die Tulpenmorde sind Stadtgespräch. Wenn wir jetzt unser Treffen ausfallen lassen, könnte das für viele so aussehen, als fürchteten wir uns – als seien wir schwach. Aber Schwäche im Innern dürfen wir uns nicht erlauben, jetzt, da die Gefahr an unseren Grenzen wächst!«
»Steht es so schlecht?«
»Schlechter. Unsere Spione melden, daß die Franzosen ihre geheimen Verhandlungen mit den Engländern, den Schweden, den Bayern sowie dem Hochstift Münster und Kurköln verstärkt haben, um eine Allianz gegen uns zu schmieden. König Ludwig stellt im ganzen Land frische Regimenter auf, und die Engländer legen ein neues Kriegsschiff nach dem anderen auf Reede. Seit Admiral de Ruyter vor vier Jahren einen Großteil ihrer Kriegsflotte zerstört und ihnen die Schmach zugefügt hat, ihr Flaggschiff Royal Charles zu entführen, brennen sie darauf, Rache zu üben. Den Frieden von Breda haben sie nur mit uns geschlossen, weil sie nach dem Verlust ihrer Kriegsschiffe nicht anders konnten. Dabei haben sie es immer nur als Waffenstillstand aufgefaßt, als eine Gelegenheit, ihre Flotte wieder aufzurüsten.«
»Unsere Flotte ist stark und vermag ihnen eine neue Niederlage beizubringen.«
»Was nützt uns das, wenn das gewaltige Heer Ludwigs uns gleichzeitig von der Landseite angreift? Die Feinde werden uns zahlenmäßig überlegen sein, und das überstehen wir nur, wenn wir im Innern stark wie Eisen sind. Bröckeln wir aber wie alter Kork, dann ist unser Schicksal besiegelt!«
Katoen schwieg betroffen. Sein Blick glitt über das Wasser des IJ zum Damrak mit seiner bunten Betriebsamkeit, die den Anschein erweckte, als könne nichts sie stören. Es war ein trügerisches Bild, aber das ahnten die braven Bürger nicht, für die in ihrer seligen Unwissenheit nur der Lohn zählte, mit dessen Hilfe sie die Mägen ihrer Frauen und Kinder
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