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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Vater einsetzte. Wünschte nicht jeder Mann sich eine Frau, die eine solche Leidenschaft für ihn an den Tag legte?
    Der alte Swalmius stürzte zum Privatkontor des Kartenmachers, ohne daß seine Verfolger es verhindern konnten. Dort aber hielten ihn die kräftigen Arme des Hauptkontoristen Barent Vestens auf. Vestens packte Swalmius, wirbelte ihn herum wie eine Strohpuppe und drückte ihn schließlich gegen eine Wand wie eine Fliege, die es zu zerquetschen galt.
    »Haltet sofort ein, Vestens!« schrie Katoen. »Ihr brecht ihm noch das Rückgrat!«
    »Er hätte es nicht anders verdient!« bellte der Hauptkontorist. »Wer in fremde Häuser eindringt und anderer Leute Eigentum zerstört, darf keine Rücksicht erwarten!«
    Anna drängte sich an allen vorbei und drückte Vestens, kaum daß sie neben ihm stand, einen Dolch gegen den Hals. Katoen hatte die Waffe vorher nicht gesehen, und Anna gebrauchte sie mit einer Gewandtheit und Schnelligkeit, die ihresgleichen suchten. Die Dolchspitze durchstieß das Fleisch, und ein kleines rotes Rinnsal floß in den weißen Kragen des Hauptkontoristen.
    »Laßt meinen Vater los, oder ich töte Euch!«
    Sie schrie nicht, klang nicht einmal aufgeregt. Der ruhige Ton ließ ihre Drohung um so gefährlicher erscheinen.
    Katoen wagte es nicht, einzugreifen, weil er befürchtete, die heikle Lage könnte dadurch vollends außer Kontrolle geraten. Auch die beiden Angestellten standen starr und staunend daneben.
    »Also gut, wie Ihr wollt«, sagte Vestens zähneknirschend und ließ Swalmius los.
    Der war noch nicht ganz wieder auf eigenen Füßen, da wirbelte Vestens herum und versetzte Anna einen Schlag in die Seite. Anna taumelte und wäre wohl gestürzt, hätte sie sich nicht an einer Stuhllehne festgehalten. Der Dolch entglitt ihrer Hand und fiel auf den wie ein Schachbrett gefliesten Boden. Vestens wollte einen Fuß auf den Dolch stellen, aber Anna war schneller als er, so schnell, daß Katoen aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Sie hechtete zu dem Dolch, vollführte dabei eine Rolle, kam mit der Waffe in der Hand wieder zum Stehen und drehte sich auch schon um die eigene Achse. Wieder drückte die Dolchspitze gegen die Kehle des Hauptkontoristen, der mitten in der Bewegung erstarrte.
    »Was geht hier vor?« fragte hinter Katoen der herbeigeeilte Kartenmacher. »Warum sorgt Ihr nicht endlich für Ruhe, Mijnheer Katoen? Seht Ihr nicht, daß dieses Weibsstück den guten Barent bedroht?«
    »Euer guter Barent ist auch kein Waisenknabe«, erwiderte Katoen. »Aber Ihr habt recht, es ist genug der Aufregung. Laßt von dem Mann ab, Anna. Ich stehe dafür ein, daß er weder Euch noch Eurem Vater ein Haar krümmen wird.«
    Zögernd kam Anna der Aufforderung nach, und der Dolch verschwand irgendwo unter ihrem Kleid. Sie ging zu ihrem Vater, der noch etwas wacklig auf den Beinen war, und stützte ihn.
    »Aber, Katoen, Ihr wollt Swalmius und seine Tochter doch nicht ungeschoren davonkommen lassen!« ereiferte Blaeu sich. »Ich verlange, daß sie für diesen Vorfall zur Rechenschaft gezogen werden!«
    »Wollt Ihr das wirklich, Mijnheer Blaeu?« fragte Katoen. »Bedenkt das öffentliche Aufsehen. Würden die Leute sich nicht die Mäuler darüber zerreißen, daß es einem alten, verwirrten Mann und seiner Tochter gelungen ist, Eure gesamte Werkstatt in Aufregung zu versetzen?«
    Blaeu strich nachdenklich über seinen Kinnbart. »Hm, da habt Ihr recht. Schließlich ist ja auch kein Schaden entstanden. Also gut, lassen wir die Sache auf sich beruhen. Aber die beiden sollen mir nicht noch einmal unter die Augen kommen!«
    Katoen nickte und begleitete Vater und Tochter nach draußen. »Wenn Ihr Euch rechts haltet, gelangt Ihr gleich an ein kleines Wirtshaus, den Lachenden Schwan. Wartet dort auf mich, ich habe noch etwas mit Blaeu zu besprechen.«
    »Ja, gut«, sagte Anna leise. »Und danke für Eure Hilfe, wieder einmal. Ihr habt Blaeu besänftigt.«
    Katoen winkte ab. »Er wäre auch allein darauf gekommen, daß ein solches öffentliches Aufsehen ihm nur schaden würde.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher.« Anna ergriff mit beiden Händen seine Rechte und hielt sie fest. »Wir sind Euch zu Dank verpflichtet, Jeremias Katoen!«
    Katoens Unterredung mit Blaeu und Vestens war kurz. Er berichtete, daß er aller Voraussicht nach bald Verbindung zu den Kartenschnappern aufnehmen und sich dann wieder bei Blaeu melden würde. Und der Kartenmacher zeigte sich erwartungsgemäß erleichtert darüber, daß er

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