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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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Betrunkenen oder einer krächzenden Stimme aus der Frauenzelle übertönt wurde. Zwei Wachen saßen an einem kleinen Tisch und beschäftigten sich lustlos mit einem abgegriffenen Kartenspiel. Als sie Katoen und den Wachhabenden bemerkten, wurden sie schlagartig munter, und auch auf ihren Gesichtern zeichnete sich jene seltsame Erwartung ab.
    Der junge Leutnant nahm die Laterne hoch, die auf dem Tisch stand, und leuchtete in die Männerzelle hinein. »Der hier vorn links am Gitter ist es. Er hat die Morde gestanden.«
    Dort lag ein ungepflegter Mann in den Fünfzigern auf einer mit Stroh gefüllten Matratze und schnarchte selig vor sich hin. Sein aufgedunsenes Gesicht mit der roten Knollennase verriet den gewohnheitsmäßigen Säufer.
    »So, der ist es also«, sagte Katoen. »Wie seid Ihr an sein Geständnis gelangt, Herr Leutnant?«
    »Er hat es freiwillig geliefert. Er ließ mich holen und sagte, für einen Becher Roten würde er mir ein Geheimnis verraten.«
    »Und Ihr habt ihm den Wein gegeben?«
    Der Wachhabende nickte. »Er hatte schon so viel in sich reingekippt, da konnte ein Becher mehr keinen weiteren Schaden anrichten. Und dann hat er tatsächlich die Tulpenmorde gestanden, genau so, wie es im Volksblatt gestanden hat. Wollt Ihr ihn vernehmen? Soll ich ihn wecken?«
    »Nein, laßt nur. Der Schläfer sündigt nicht.«
    Die beiden Wachen am Tisch konnten ein Grinsen kaum noch unterdrücken, aber das sah der Wachhabende nicht. Er starrte Katoen fassungslos an.
    »Ihr wollt den Mann also erst morgen früh vernehmen?«
    »Nicht nötig. Laßt ihn ruhig laufen, wenn er ausgeschlafen hat.«
    »Aber … aber er ist doch der Tulpenmörder! Er hat die Taten gestanden!«
    »Er hat nachgeplappert, was in der Zeitung stand.« Jetzt war es an Katoen, dem Leutnant etwas zuzuraunen. »Hört zu! Dieser Mann da heißt Paul Klok, aber üblicherweise wird er Plauderpaule genannt. Für einen Becher Wein oder Schnaps erzählt er Euch nämlich, was Ihr hören wollt: daß er der Tulpenmörder ist, der König von Frankreich oder ein Eingeborener von den Molukken.«
    »Aber warum hat er dann gesagt, er sei der Tulp…«
    »Weil ihm jemand diesen Floh ins Ohr gesetzt hat«, unterbrach Katoen den Wachhabenden. »Und wenn ich Euch einen Rat geben darf, dann laßt die ganze Sache jetzt ruhen. Vor allen Dingen solltet Ihr sie Euren Untergebenen gegenüber nicht erwähnen, auch nicht, wenn sie Euch heute nacht ins Gesicht lachen. Ihr seid nicht der erste junge Offizier, der ihnen auf den Leim gegangen ist, und Ihr werdet nicht der letzte sein. Spendiert ihnen lieber nach Dienstschluß ein Bier, dann werden sie keinen Schabernack mehr mit Euch treiben.«
    Das Gesicht des Leutnants wurde puterrot, als er begriff, daß seine Männer ihn hereingelegt hatten.
    Nicht nur ihn, dachte Katoen, als er vor dem Gefängnisturm am Singel stand und gähnend auf das nächtliche Amsterdam blickte. Es wäre auch zu schön gewesen, hätte sich die Affäre um den Tulpenmörder gleichsam von selbst erledigt. Vor ihm erstreckte sich die große Stadt am IJ, dunkel und geheimnisvoll, und irgendwo in dem Gewirr der Straßen und Plätze, der Gassen und Grachten versteckte sich der wahre Tulpenmörder.

K APITEL 16
    Der Kater und die Maus
    E in prächtiges Weib!« seufzte Joris Kampen und betrachtete mit leuchtenden Augen die üppige Frau, deren Kleider für das ausladende Hinterteil und den wogenden Busen beinahe zu eng waren. »Schade, daß sie nur aus Holz ist!«
    Jan Dekkert legte seinem Kollegen eine Hand auf die Schulter und grinste ihn an. »Sei doch froh, so gerätst du wenigstens nicht in Versuchung. Schließlich hast du eine Frau und zwei kleine Kinder.«
    »Ja, das stimmt«, brummte Kampen, ohne wirklich froh zu klingen.
    Jeremias Katoen stand mit seinen Bütteln vor dem Goldhäubchen, einem Wirtshaus am Hafen, dessen Ruf bestenfalls ein zweifelhafter war. Das lebensgroße dralle Holzweib, auf dessen Kopf eine goldene Haube saß, sollte nicht nur männliche Gäste anlocken; es war zugleich ein Zeichen an alle Frauen mit lockerem Lebenswandel, daß sie hier willkommen waren. Sie zahlten im Goldhäubchen für Bier und Schnaps nur den halben Preis und fanden sich entsprechend zahlreich hier ein. Mit ihnen kamen die Kuppler und Inhaber von Musicos, die hofften, Nachschub für ihre Geschäfte anwerben zu können. Hartnäckig und wohl zu Recht hielt sich das Gerücht, der Wirt des Goldhäubchens lasse sich von ihnen dafür bezahlen, daß er an Frauen so

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