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Die Tulpe des Bösen

Die Tulpe des Bösen

Titel: Die Tulpe des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kastner
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günstig Getränke ausschenke, aber bislang hatte man ihm nichts nachweisen können.
    Katoen sah hinauf in den blauen Himmel, an dem ein paar kleine Wolken gemächlich dahinzogen. Es war ein warmer Sonnabendnachmittag, und die sanfte Brise, die durch die Grachten wehte, hatte eine belebende Wirkung. Er verspürte nicht die geringste Lust, die düstere, von Alkohol-und Tabakdunst erfüllte Kaschemme zu betreten.
    Zweifelnd sah er Dekkert an: »Seid Ihr sicher, daß Dircks da drin ist?«
    »Ziemlich. Vor einer halben Stunde jedenfalls saß er noch an einem Tisch hinten rechts, das weiß ich genau. Aber keine Sorge, er hat mich nicht gesehen, so sehr war er in das Gespräch mit der Schwarzen Sis vertieft.«
    »Sis Maliers?« fragte Katoen. »Haben wir die nicht ins Spinhuis gesteckt?«
    Dekkert nickte. »Haben wir, aber sie ist wieder draußen. Und offenbar ist es im Spinhuis nicht gelungen, ihr einen anderen Lebenswandel schmackhaft zu machen. Sonst wäre Dircks nicht hinter ihr her.«
    Kampen grinste. »Die Katze läßt das Mausen nicht. Oder in diesem Fall der Kater.«
    »Dann gehe ich jetzt hinein und sehe nach unserem Kater«, sagte Katoen. »Jan, Ihr paßt hier draußen auf, daß unser Freund mir nicht durch die Lappen geht. Und Ihr, Joris, übernehmt den hinteren Ausgang zur Waalseilandsgracht.«
    »Ja, Baas«, sagte Kampen und begab sich forschen Schrittes zu der Gasse, die ein paar Häuser weiter zur Waalseilandsgracht führte.
    Katoen wartete zwei, drei Minuten, bevor er das Goldhäubchen betrat. Drinnen standen an die fünfzehn Tische, und ungefähr die Hälfte davon war besetzt. Es dauerte nicht lange, bis er Jaepke Dircks entdeckt hatte. Er saß an der von Dekkert beschriebenen Stelle und füllte aus einem irdenen Krug zwei Zinnbecher, einen für sich selbst, den anderen für eine Frau mit pechschwarzem Haar, die Katoen den Rücken zuwandte. Er hätte ein Monatssalär darauf verwettet, daß der Kuppler die Schwarze Sis anzuwerben versuchte.
    Als Katoen näher trat, entdeckte Dircks ihn, und seine Miene wurde schlagartig finster. Er wollte sich von der hölzernen Sitzbank erheben, aber Katoen war mit ein paar schnellen Schritten bei ihm, legte eine Hand auf seine rechte Schulter und drückte ihn zurück auf die Bank.
    »Bleibt ruhig sitzen, Dircks! So plaudert es sich viel gemütlicher, und ich denke, wir haben etwas zu besprechen.«
    Die Schwarze Sis hatte Katoen erkannt, und in ihrem noch jungen, aber bereits verlebten Gesicht zeichnete sich aufkeimende Angst ab. Ins Spinhuis zog es sie gewiß nicht zurück.
    »I-ich wollte gerade gehen«, stammelte sie und blickte Katoen an wie ein Kind, das den strengen Vater darum bittet, vorzeitig vom gedeckten Tisch aufstehen zu dürfen.
    »Dann geh!« sagte Katoen kalt. »Mit dir habe ich nichts zu bereden. Jedenfalls im Augenblick nicht. Wenn du willst, daß es dabei bleibt, dann halt dich künftig besser von hier fern – und von deinem Freund Dircks!«
    »Aber ja, das werde ich«, sagte sie hastig, stand ebenso hastig auf und verließ das Wirtshaus.
    Katoen nahm ihr das nicht ab. Er war sicher, daß sie über kurz oder lang wieder im Spinhuis landen würde. Sie war eine von den Frauen, die lieber ihren Körper hergaben, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, als sechs Tage die Woche in einer Werkstatt oder als Dienstmagd in einem Haushalt zu arbeiten. Vielleicht war das tatsächlich angenehmer und einfacher, zumindest für eine gewisse Zeit. Frauen wie sie schienen nicht daran zu denken, was im Alter aus ihnen werden sollte. Nun, auch die Schwarze Sis wird eines Tages vor dieser Frage stehen, dachte er und ließ sich auf der Bank nieder, auf der eben noch sie gesessen hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah Dircks abwartend an.
    Der schob den für die Dirne bestimmten Zinnbecher zu Katoen hinüber und lächelte gequält. »Darf ich Euch auf einen Holunderschnaps einladen?«
    »Nein, ich bin nicht zum Trinken hergekommen.«
    Katoen schob den Becher quer über den Tisch zu Dircks zurück, und zwar so heftig, daß er umkippte und seinen dunklen Inhalt halb über die Tischplatte und halb über Dircks’ Lederwams ergoß.
    »He, was soll das?« empörte sich der Kuppler. »Was habe ich Euch getan?«
    »Fragt lieber, was Ihr nicht getan habt!«
    »Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht, Katoen.«
    »Nein? Und ich dachte, wir hätten eine Vereinbarung getroffen. Wolltet Ihr Euch nicht bei mir melden? Statt dessen muß ich halb Amsterdam nach Euch absuchen. Ihr

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