Die Tunnel der Seele
Seventeen war nirgendwo zu sehen. Mason stellte fest, dass sich in dem Zimmer nur ein Bett befand. Schnell schaute er wieder weg und rügte sich selbst für seine Neugier.
Lilith führte ihn vor eine Tür am Ende des Ganges. Als sie diese öffnete, gab sie ein Quietschen von sich. Sie trat zur Seite, damit Mason eintreten konnte. Ihre Augen ruhten auf dem Fußboden.
»Danke«, sagte Mason. Sein ramponierter Koffer, ein Samsonite, dessen Griffe mit Isolierband zusammengehalten wurden, stand bereits im Zimmer. Es war eine große Suite mit einem Himmelbett aus Holz für zwei Personen, Schreibtischen aus Kirschholz, passenden Sekretären aus Kastanie und abgerundeten Nachttischen. An Süd- und Westwand befanden sich hohe, rechteckige Fenster und Mason stellte erfreut fest, dass das Zimmer den ganzen Tag über lichtdurchflutet sein würde. In einem Haus, in dem es keinen Strom gab, konnte das durchaus als Luxus bezeichnet werden. Die sinkende Sonne füllte den Raum mit honigfarbener Wärme.
»Wow. Das muss eines der besseren Zimmer sein”, sagte er.
Das Dienstmädchen wartete noch immer vor der Tür, als hätte sie Angst, die Luft in diesem Zimmer einzuatmen.
»Es ist die Suite des Hausherren«, sagte sie. »Sie diente Ephram Korban früher als Schlafzimmer.«
»Hängt deswegen sein Porträt an der Wand?«, fragte Mason und nickte in Richtung des Gemäldes über dem großen Kamin. Das Bild war eine kleinere Version des Gemäldes, das im Foyer hing. Es zeigte einen etwas jüngeren Korban, doch die Augen waren genauso schwarz und bodenlos und nur die winzige Andeutung eines Lächelns umspielte die grausamen Lippen.
»Miss Mamie hat das Zimmer extra für Sie ausgewählt«, sagte Lilith ohne das geringste Anzeichen einer Emotion. »Sie sagte, Sie kämen auf hohe Empfehlung hin.«
Mason warf seine Tasche auf das Bett. Die Werkzeuge schlugen dumpf zusammen. »Ich hoffe, ich kann ihren Erwartungen gerecht werden.«
»Das hat bis jetzt noch niemand geschafft.« Lilith stand noch immer vor der Tür. Falls sie scherzen sollte, konnte man es in ihrem glanzlosen Gesicht nicht ablesen.
»Aha. Ich weiß nicht sehr viel über Orte wie den hier«, sagte er, steckte eine Hand in die Tasche und spielte wieder den lässigen, nonchalanten Tolpatsch. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass die Leute nachsichtiger waren und ihre Erwartungen niedriger, wenn sie dachten, er sei ein dümmlicher Trottel. Mit seinem lang gezogenen Südstaatendialekt erzielte er den gleichen Effekt, wenn auch meistens ungewollt. Insgeheim ging er davon aus, dass er seinen Erfolg in Adderly der Tatsache zu verdanken hatte, dass seine intellektuellen Dozenten so begeistert davon waren, dass ein Bauerntrampel wie er die Grenzen seiner Herkunft durchbrechen und sich tatsächlich in den Rängen der kulturellen Elite behaupten konnte. »Sie halten das vielleicht für eine dumme Frage, aber muss ich Ihnen Trinkgeld geben?”
»Nein, natürlich nicht. Und Miss Mamie würde mich umbringen, wenn Sie es versuchen würden.« Lilith schaffte es, sich zu einem Lächeln durchzuringen und war erleichtert, das sie entlassen wurde. Ihre Nervosität und ihre Blässe machten sie auf irgendeine Art attraktiv, wie eine Prinzessin, die zum Tode verurteilt worden war. Sie war nicht so hübsch wie die hochnäsige Frau mit den kobaltblauen Augen, aber wenigstens empfand sie keine Verachtung gegenüber Künstlern. Schließlich war sie selbst einer.
Lilith zeigte auf die Tür in der Westwand. »Das Badezimmer ist dort drin.«
»Großartig.« Er saß auf dem Bett.
»Wäre das dann alles?«
»Ja, es sei denn, Sie möchten mir noch meine Schuhe ausziehen.«
Zögerlich ging sie einen Schritt nach vorn und starrte auf den Fußboden.
»Hey, das war nur ein Witz.« Er stieß ein Lachen aus, einem Pferd ähnlich, das sich an einem Apfel verschluckt hatte.
Wieder zeigte Lilith ihr fiebriges Lächeln. Dann sagte sie: »Das Abendessen beginnt Punkt um acht, Mr. Jackson. Kommen Sie nicht zu spät. Miss Mamie hasst Unpünktlichkeit.«
Dann war sie weg. Mason richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Möbel. Auf jedem Nachttisch stand eine Lampe, ein ovaler Glassockel, der mit schwerem Öl gefüllt und von Messing umkleidet war. Im Ofen prasselte ein Feuer, neben dem Mauerwerk war ein Stapel gespaltenes Robinien- und Eichenholz aufgeschichtet. Es grenzte an ein Wunder, dass dieses alte Haus in all den Jahren nicht irgendwann niedergebrannt war. Mason lehnte sich in die Kissen zurück und
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