Die Tunnel der Seele
Jungen aus Boston.
Ihr Zimmer lag in der dritten Etage. Es war kleiner als die Zimmer, die er gesehen hatte, als das Dienstmädchen sie nach oben führte. Das Fenster lag in einem Giebel. Das gesamte obere Stockwerk, einschließlich der Wände und der Dachschrägen, war mit versiegelten Brettern vertäfelt, die durch Nut- und Federverbindungen zusammengefügt waren. Auf dem Weg nach oben hatte Adam das Dienstmädchen über eine schmale Leiter befragt, die zu einer kleinen Falltür im Dach führte. Sie erzählte ihnen, dass sich dahinter der Witwensteg befand und dass Gästen der Zutritt nicht erlaubt wäre. Sie sagte es mit einem, wie Adam fand, nervösen, abweisenden Unterton. Er fragte sich, ob ein Gast während einer anderen Künstlerklausur dort oben einen Unfall erlitten hatte.
Er wandte sich vom Fenster ab, bereit, sich mit Paul zu versöhnen. Wenn er ihn dazu bringen konnte, über das Filmemachen zu reden, wäre der kleine Streit bald vergessen. »Denkst du, dass du genug Filmband mitgebracht hast?«
»Es reicht für acht Stunden. Es ist echt schade, dass das Budget keine Beta SP hergegeben hat. Jetzt muss ich mit dieser beschissenen Digitalkamera zurechtkommen.«
»Na ja, du arbeitest freiberuflich für das öffentliche Fernsehen. Was erwartest du? Das Budget für
Titanic
abzüglich dem Honorar für den Dialogtrainer von Leo DiCaprio?«
»Hey, ich wäre schon mit dem Budget seines Hairstylisten zufrieden. Die Fördermittel für Dokumentationen stehen heutzutage ganz unten auf der Liste. Vielleicht sollte ich eher was machen in der Richtung ›Die Geheimnisse unerklärter Mysterien und andere unkonventionelle okkulte Phänomene‹. Bei all dem Gerede, dass es hier spuken soll … Wer weiß?«
Adam lächelte. Er wusste, dass er gewonnen hatte, wenn Paul seinen sarkastischen Humor an den Tag legte. Paul würde niemals Geld von Adam nehmen, um seine Videos zu finanzieren. Ansonsten aber hatte er keine Skrupel, sich von ihm aushalten zu lassen. Paul streckte sich auf einem der schmalen Betten aus und starrte an die Decke. Vielleicht überlegte er gerade, wie er einige Sequenzen bearbeiten konnte.
»Pass auf«, sagte Adam. »Vielleicht kann ich es ja irgendwie arrangieren, dass ich von Außerirdischen entführt werde, während du die Kamera draufhältst.«
»Ich habe gehört, dass sie alle möglichen bizarren sexuellen Experimente durchführen.«
»Das klingt ja immer besser.«
»Hey, was könnten
die
schon machen, was ich nicht viel besser kann?«
Adam lief quer durch das Zimmer zu ihm. Paul hatte wieder diesen schläfrigen Blick. »Küss mich, du Idiot.«
Paul küsste ihn. Adam hatte das Gefühl, als ob jemand sie beobachtete. Seltsam.
»Was ist?«, fragte Paul mit rauchiger Stimme.
»Ich weiß nicht«, antwortete Adam. Er sah sich um. Es konnte unmöglich jemand von außen durch das Fenster sehen und die Tür war verriegelt. Bis auf die Möbel befand sich im Zimmer nur ein Ölgemälde, eine kleinere Reproduktion des Porträts, das unten im Foyer hing.
Ich werde nicht paranoid. Es ist völlig okay, schwul zu sein – selbst im ländlichen Süden. Es ist OKAY, zurück zur Natur zu kehren. Diese Liebe ist so echt wie alles andere auf dieser Welt.
Er schlüpfte zu Paul ins Bett und fragte sich, ob dieser alte Knacker Korban wohl etwas dagegen hatte, wenn zwei Jungs unter seinem Dach zur Sache kamen. Wen interessiert’s? Korban war tot und Paul mehr als am Leben.
8. KAPITEL
D er Spaziergang entlang des breiten Feldweges hatte Mason müde gemacht. Er hatte den Nachmittag damit verbracht, den Kopf frei zu bekommen und die Einsamkeit und die Ruhe des Gebirgswaldes zu genießen, der das Anwesen umgab. Da draußen unter den alten Laubbäumen stellte niemand Erwartungen an ihn. Er musste kein vielversprechender neuer Künstler sein. Dort war er nicht die Quelle für die Hoffnungen und Träume seiner Mutter. Und er war nicht verpflichtet, dem unerbittlichsten Vater auf der ganzen Welt zu beweisen, dass er etwas wert war. Auf dem Gelände von Korban Manor aber war er einfach nur ein weiterer Versager mit einer großen Trickkiste im Gepäck.
Als Mason kurz vor Sonnenuntergang ins Herrenhaus zurückkehrte, war das Foyer fast leer. Er nickte einem betagten Ehepaar zu, das Jacken im Partnerlook trug. Ihre Hemdsärmel waren geschnürt, ihre Gläser hatten sie erhoben. Roth unterhielt sich mit einer dunkelhäutigen Frau. Gerade tat er so, als ob er ein Foto schießen würde. Das magere Dienstmädchen stand am
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