Die Tunnel der Seele
Trapezschaukel, die an den Bettpfosten festgemacht ist, mit einem Spiegel an der Decke.«
»Jetzt tu doch nicht so, als ob dich hier irgendjemand verfolgen würde, Paul. Das wird romantisch. Wie zu alten Zeiten, als wir auf dem Sofa deiner Schwester gekuschelt haben.«
»Ja, bis meine Schwester es herausgefunden hat.
Das
war eine Szene, die es wohl kaum in eine Familiensendung von Disney geschafft hätte.«
Adam seufzte. Wenn Paul doch bloß nicht so stur wäre. Sie würden schon zurechtkommen. Sie waren immer zurechtgekommen. Und Gott hatte nicht vor, Leute wie sie zu bestrafen, auch wenn fanatische Rechtspopulisten in ihren Wuttiraden gern etwas anderes behaupteten.
»Hör zu«, sagte Adam. »Wir schieben beide Betten zur Seite an die Wand. Du kannst das hintere haben. Wenn dann jemand in der Nacht aus dem Bett rollt und mit dem Kopf auf dem Boden aufschlägt, werde ich es sein.«
Paul fuhr sich verärgert durch die Haare. Ein paar Strähnen standen nach oben ab, dunkelblond und wellig, wie beim jungen Robert Redford. Zusammen mit seinem leichten Schlafzimmerblick und den vollen Wimpern ließen sie ihn schläfrig aussehen. Adam gefiel das. Es war eines der ersten Dinge gewesen, die er an Paul anziehend gefunden hatte.
»Okay«, sagte Paul. »Ich werde aufhören, mich zu beklagen. Das sollen schließlich unsere zweiten Flitterwochen sein.«
Adam lächelte. Pauls Geschimpfe dauerte niemals lange an. »Heißt das, ich erhalte meine Jungfräulichkeit zurück?«
Paul zog eines der Federkissen unter der Decke hervor und warf es nach ihm.
Adam wehrte es mit Leichtigkeit ab. »Sag mal, ist diese Miss Mamie zu fassen?«
»Mit ein paar kleinen Bartstoppeln könnte sie glatt als Dragqueen durchgehen.«
Sie lachten beide. Adam sagte: »Du nimmst kein Blatt vor den Mund. Und auch sonst bist du nicht gerade zurückhaltend.«
»Vor allem bei dir halte ich mich nicht zurück. Und genau deswegen liebst du mich.«
»Das ist zumindest einer der Gründe.«
»Lass uns auspacken. Ich will rausgehen und ein paar Leute kennenlernen.«
»Das ist typisch für dich«, meinte Adam. »Wir legen über tausend Kilometer zurück, um endlich mal von allem weg zu kommen und dann musst du dich sofort wieder unter die Leute mischen.«
»Das Leben ist eine Party, Prinzessin.«
»Hey, es ist mein Erbe, das wir hier auf den Kopf hauen. Und glaube bloß nicht, dass ich dich das einen Moment lang vergessen lasse.«
Paul zog seinen gespielten Schmollmund, so wie er es immer tat.
Adam trug ihr Gepäck zum Schrank. Paul hatte drei zusammenpassende Koffer und eine robuste Tasche für seine Videokamera mitgenommen. Adam hatte nur eine Sporttasche und einen Rucksack dabei.
»Ach ja«, sagte Adam. »Wenn uns das Geld ausgehen sollte, können wir immer noch deinen umwerfenden Körper für Werbespots von Calvin Klein zur Verfügung stellen.«
»So lange ich dafür nicht mit Kate Moss aufs Ganze gehen muss. Die Frau treibt mich in den Wahnsinn.«
»Wenn sie einen Blick auf dich erhascht, wird sie ein Baby von dir haben wollen.«
»Na
das
nenn ich ja mal realistisch.«
»Hey, komm schon. Du wärst auf jeden Fall ein süßer Papa.«
»Fang bloß nicht wieder damit an”, sagte Paul.
Adam begann, Pauls Baumwollshirts auf Kleiderbügel zu hängen. Er ließ sich Zeit, um sich nicht umdrehen und seine Enttäuschung zeigen zu müssen. Paul sträubte sich mit Händen und Füßen gegen eine Adoption, gegen diese endgültige, langfristige Verpflichtung. Und niemand konnte sich so gut gegen etwas sträuben wie Paul.
»Tut mir leid,« sagte Adam. Seine Worte wurden durch den Schrank gedämpft. »Ich dachte nur, hier draußen in der Wildnis, fernab von unserem alten Leben und dem ganzen Druck—«
»Ich habe gesagt, du sollst nicht davon anfangen.«
»Du hast gesagt, wir könnten darüber reden, wenn wir hier sind.«
»Aber doch nicht sofort. Ich möchte ein wenig entspannen und du machst mich schon wieder ganz nervös.«
»Lass uns nicht streiten. Das ist kein guter Start für einen Urlaub.«
»Außerdem muss ich ein bisschen arbeiten. Wie soll ich irgendetwas schaffen, wenn du mich mit dieser ›Sesshaft-werden-Scheiße‹ nervst?«
Adam seufzte in den dunklen Hohlraum des Schrankes. Er räumte seine übrigen Sachen hinein und tat dann so, als ob ihn interessieren würde, was draußen vor dem Fenster vor sich ging. Paul würde hier viel Stoff für Filmmaterial erhalten. Eine hübsche, friedliche Naturdokumentation für einen stockkonservativen
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