Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
Vom Netzwerk:
Unsinn.
    Müll, Unsinn und Gefasel.
    William Roth ging alle abwertenden Substantive in seinem Kopf durch, während er sich die Bücher ansah, die in den Regalen des Studierzimmers aufgereiht waren. Es waren alles gebundene Bücher, viele mit Ledereinband und Titeln in Goldschrift. Der Staub, der sie bedeckte, zeugte von ihrer Langweiligkeit.
    Eine lustige kleine Lüge für die Intelligenzia. Denn die Bücher sind alle Mist und … Gewäsch. Ja, AUF JEDEN FALL Gewäsch.
    Abriss zur Französischen Revolution. Das Tagebuch von Sir Wendell Swanswight. Talmud. Gesetzeswissenschaft.
    Diese Werke würden sich hervorragend als Briefbeschwerer eignen. Das einzig gute an ihnen war, dass sie perfekt in die Regale passten. Roth nippte an seinem mit Wasser verdünnten Scotch, während er sich in Richtung der kleinen Menschentraube bewegte, die sich um Jefferson Spence versammelt hatte. Mit bebender Stimme gab der große Mann schulmeisterlich die eine oder andere Meinung zu diesem und jenem Thema kund, die von keinem seiner Bewunderer infrage gestellt wurde.
    Das arabische Vögelchen stand mitten im Zimmer, die Kamera, die sie immer bei sich trug, hing um ihren Hals. In Gedanken übte er ihren Namen, denn es war schwer, einen britischen Akzent vorzutäuschen, während er ihn aussprach.
Zay-ich-nahb
. Er würde ihr ein paar Dinge über den Verhaltenskodex von Fotografen beibringen müssen. Man lief nicht herum wie ein Elefant im Porzellanladen. Man pirschte sich stattdessen heran, wartete, verführte sein Motiv mit unendlicher Geduld und Sorgfalt. Man lullte es ein, liebkoste es, und dann—klick, knipps, danke, Arschloch.
    Aber er konnte sich Zainab jederzeit vornehmen. Sie war ein unschuldiges Schäfchen, das man leicht von der Herde trennen konnte. Sie war eine verletzte Gazelle und Roth war der Löwe. Erst einmal musste er ein größeres Tier in seine Falle locken.
    Moment, Junge. Schlechte Metapher. Aus deiner Zeit in Afrika weißt du, dass die Löwin auf die Jagd geht, während der Löwe nur herumliegt und sich die Eier leckt. Aber die blöden Yankees wissen das nicht. König des Dschungels, so ein Blödsinn.
    In Gedanken sprach er in seinem Manchester-Akzent. Mitte der 90er, während des kurzen Beatles-Revivals, hatte er sich auf Liverpoolish herabgelassen und war dann im Kielwasser von »Ganz oder gar nicht« zum Yorkshire-Dialekt übergegangen. Launen kamen und gingen und das gleiche galt für seinen Akzent. Ab und zu schlichen sich kleine Fehler ein, doch die einfältigen Amerikaner bemerkten das nicht. Nur wenn er auf einen echten Briten traf, musste er vorsichtig sein.
    Und die Chancen dafür standen hier nicht schlecht
, dachte er und lächelte innerlich. Er war am Rande des Kreises von Menschen angekommen, der Spence umgab.
    »Und man sagt, dass es in
Schau heimwärts, Engel
hermeneutische Elemente gäbe«, meinte Spence gerade und seine Wangen zitterten, um seiner Aussage Nachdruck zu verleihen. »Ich kann Ihnen verraten, dass Gant nicht mehr als ein Symbol für das menschliche Herz ist. Eine schwache, erweiterte Metapher, die gewaltsam von einer Milliarde Adjektive unterstützt wird. Wenn Sie das heute einem Herausgeber schickten, würde er sagen: ›Wundervoll, und können Sie das jetzt bitte so formulieren, dass es sich wie Grisham liest?‹«
    Die Augen der Zuschauer weiteten sich vor Ehrfurcht. Dieser Mann war ein Meister, ein Schlangenbeschwörer. Sein Ego war so groß wie sein Bauch. Niemand wagte es, seine in den Raum geworfenen Behauptungen anzufechten.
    Spence schüttete die Hälfte seines Martinis herunter, bevor er fortfuhr. »Das schlechteste Buch des 20. Jahrhunderts? Eher nicht. Diese Ehre gebührt Hemingways
Ein Fest fürs Leben
. Die Kritiker haben die unterschwellige Spannung, die sich angeblich durch den ganzen Roman zieht, in höchsten Tönen gelobt. Alles Gewäsch! Das Buch ist nichts weiter als Hemingway aus der Dose, der Inbegriff von Ernest. Zu viel des Guten, könnte man fast sagen.«
    Spence legte eine kurze Pause für die obligatorischen Lacher ein. Sie kamen.
    Roth lächelte. Spence war ein ebenso guter Schwindler wie Roth selbst. Und auch er spielte seine Rolle als Prominenter mit Erfolg. Die Gier der Leute nach Idolen faszinierte Roth immer wieder aufs Neue. Nur immer her mit den falschen Göttern. Das Volk brauchte Opium und zwar schnell.
    Roth drängte sich auf die linke Seite von Spence zwischen eine alte Schachtel mit blauen Haaren und einen armen Kerl mit Buckel. Das süße kleine

Weitere Kostenlose Bücher