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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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Schoß und wedelte sie überschwänglich umher. Die Fliege flog in Richtung der Öllampen, die in den Kronleuchtern über ihnen brannten. Anna schaute ihr nach und als sie sich wieder der Tischrunde zuwendete, sah der Bildhauer sie an.
    »Das verdammte Ding wollte mein Abendessen mitnehmen«, sagte er. »Bösartige Kreatur.«
    »Vielleicht war es der Beelzebub«, meinte sie. »Der Herr der Fliegen.«
    »Wenn, dann war es wohl eher Beelzebubba. Schließlich war es eine Fliege aus den Südstaaten.«
    Das erste Mal seit Wochen lachte Anna. Ihre Tischnachbarn sahen sie mit gerunzelter Stirn an. Der Mann stellte sich ihnen als Mason vor und sagte, er wäre ein pensionierter Textilarbeiter aus dem Vorland. »Außerdem bin ich ein aufstrebender Bildhauer«, erzählte er. »Aber verwechseln Sie mich bloß nicht mit Henry Moore.«
    »Hat der nicht James Bond gespielt?«, fragte Cris.
    »Nein, das war
Roger
Moore.«
    Er winkte höflich ab, als das Dienstmädchen, Lilith, mit der Karaffe herumkam. Anna hingegen nahm ein Glas, obwohl sie nicht die Absicht hatte, mehr als ein paar Schlucke davon zu trinken. Der Konservatismus, der mit einem Todesurteil einherkam, hatte sie überrascht. Wenn einem nicht mehr viel Zeit bleibt, versucht man, den Rest seines Lebens interessanter zu gestalten und nicht der Langeweile preiszugeben.
    Ihre Augen wanderten zurück zu Mason. Er beobachtete Lilith, als wäre er an mehr interessiert als nur an einem warmen Brötchen. Es verärgerte und überraschte sie, als ein Hauch von Eifersucht durch ihr Herz fuhr. Sie verabscheute Trivialität und außerdem war Habgier das letzte Laster, an dem eine sterbende Person leiden sollte. Stephen hatte sie gelehrt, dass man niemals eine andere Person voll und ganz verstehen, geschweige denn besitzen kann, und dass die Vorstellung von Seelenverwandtschaft am besten auf Liebesromane beschränkt blieb. Sie nahm einen Schluck Wein und ließ sich vom milden Brennen des Alkohols ablenken. Dann machte sie sich mit der dunkelhäutigen Frau bekannt.
    Ihr Name war Zainab und sie war in Saudi-Arabien geboren worden. Sie war arabisch-amerikanischer Abstammung, hatte jedoch nur indirekt von Ölgeldern profitiert. Ihr Vater war Ingenieur bei Aramco. Zainab war in die USA gekommen, um in Stanford zu studieren, lange bevor jeder aus dem Nahen Osten durch brennende Reifen gesprungen war, um hier einzuwandern. Jetzt wollte sie Fotografin werden, »wenn sie erwachsen war«.
    »In Amerika ist man erwachsen, wenn man vierzehn wird«, sagte Anna. »Zumindest wenn man den Modemagazinen Glauben schenkt. Und natürlich musst du aussehen wie fünfundzwanzig, wenn du vierzig wirst.«
    »Hey«, sagte Cris und kippte ihr drittes Glas Wein hinunter. »Ich bin dreißig und werde bald neunundzwanzig. Anscheinend habe ich alles richtig gemacht.«
    Anna stocherte noch ein bisschen in ihrem Kuchen herum und schob den Dessertteller dann von sich weg. Cris lehnte sich zu Mason. Das Klimpern ihrer Wimpern verriet, dass sie sich ernsthaft in Flirtlaune befand.
    »Was machen denn die Jungs im Vorland so, um Spaß zu haben?«, fragte Cris.
    »Wir gehen zu den Müllcontainern hinter dem städtischen Café und werfen Steine nach den Ratten. Die Ratten in Sawyer Creek essen besser als die Familien, die von der Wohlfahrt leben.«
    »Ich wette, auch die Ratten hier schwelgen im Luxus«, sagte Cris.
    »Zu Hause nennen wir das ›In Saus und Braus leben‹«, erwiderte Mason und tat so, als schüttele es ihn vor Ekel. »Ich habe heute mit einem der Handwerker gesprochen. Er hat mir erzählt, sie würden Stahlfallen aufstellen und alle Essensabfälle vergraben, um das Rattenproblem unter Kontrolle zu halten. Die Abfallentsorgung ist hier ein großes Problem.«
    »Es ist wirklich unglaublich, was wir als zivilisierte Gesellschaft alles für selbstverständlich halten«, sagte Anna.
    »Wer ist zivilisiert?«, fragte Cris kichernd. »Klingt ganz so, als ob wir gleich eine dieser Geschichten à la ›Wir mussten sechs Kilometer durch den Schnee laufen, um zur Schule zu gelangen‹ hören werden.«
    »Dort wo ich herkomme, waren es vier Kilometer über Sanddünen ohne Kamel«, sagte Zainab.
    »Ich habe eines der Zimmermädchen mit einem Korb voller Wäsche gesehen. Nicht
sie
«, berichtete Anna und schaute stirnrunzelnd zu Lilith, die gerade am Haupttisch eine Flasche Wein entkorkte. »Stellt euch vor, ihr müsstet alle diese Tischdecken und Gardinen mit der Hand waschen. Von der Bettwäsche ganz zu

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