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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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feuchten Blättern und Holzfäule drang in Masons Nase. Er bemerkte, dass er schwerer atmete als der Mann, der fast drei Mal so alt war wie er selbst. Ransom lief weiter und setzte seine Geschichte fort.
    »Nachdem sie die Straße ausgehoben hatten, begannen sie, an der Brücke zu arbeiten. Früher war der einzige Weg hier hoch ein Pfad, der sich an der Südseite dieser Klippen hinauf geschlängelt hat. Auf Ihrer Fahrt hierher konnten Sie den Abgrund sehen.«
    »Ja. Hinunter auf den Grund der Erde.« Masons Magen flatterte in Erinnerung an die Erhabenheit und den Schrecken, den der Anblick in ihm ausgelöst hatte. Es war ihm unangenehm, dass er so außer Atem war, und so versuchte er es zu verbergen.
    »Über diesen Pfad waren die ersten Pioniere, Boone und Jeremiah und ein paar andere, hier hinauf gekommen. Man sagt, dass ihn davor schon die Cherokee und die Catawba benutzt hatten. Sie haben sich die Gegend als Jagdgründe geteilt. Die Weißen haben Vieh heraufgebracht und die Tiere die Klippen entlanggetrieben. Aber Korban wollte eine Brücke. Und was Korban wollte, das hat er auch bekommen.«
    »Das habe ich mir schon gedacht.« Vor ihnen erhob sich ein Gebäude, das aus dicken Brettern gebaut war und von den Zweigen einer Strauchkiefer bedeckt wurde. Sein Schindeldach war übersät von braunen Kiefernnadeln. Ransom führte Mason in Richtung des Hauses.
    »Es waren etwa acht Familien, die diesen Teil des Berggipfels besaßen. Korban zahlte sie alle aus und stellte sie ein, damit sie das Haus bauten und auf dem Feld Steine für das Fundament sammelten. Die Frauen bezahlte er dafür, dass sie Apfelsämlinge setzten und die Gärten vom Unkraut befreiten. Selbst die Kinder halfen mit, für einen Vierteldollar pro Tag plus Verpflegung.«
    »Hat denn niemand gemerkt, dass sie genau dieselbe Arbeit wie zuvor verrichteten, bis auf dass sie nun einem Herrn dienten?«
    Der Pfad hatte sich geweitet und von der anderen Seite der Lichtung aus führten Wagenspuren mitten in den Wald hinein. Ransom stieg auf die verzogenen Treppenstufen, die in die Hütte führten, und hielt inne. Mason war froh, dass der Spaziergang bergauf endlich auch an der Kondition des alten Mannes zehrte.
    »Sie haben keine reichen Eltern, nicht wahr?«, fragte Ransom und zog eine seiner weißen Augenbrauen nach oben.
    »Na ja, nicht wirklich. Meine Eltern mussten beide die ganze Woche arbeiten, um über die Runden zu kommen.« Mason erwähnte nicht, dass sein Vater nur zwei Tage die Woche arbeitete und sich viereinhalb Tage lang die Kante gab. Jeden Sonntagmorgen zog er los, um dem Herrn für sein Abendbier zu danken. Ansonsten kam kein Gebet über seine Lippen, das nicht nach Bourbon roch. Außer vielleicht jene, die er in seinem Krankenhausbett aussprach, als ihn die Zirrhose in die Selbstzerstörung begleitete, die er sein ganzes Leben lang betrieben hatte.
    »Die Leute hier haben sich fast überschlagen, um an Korbans Geld zu kommen. Sie waren bettelarm. Bargeld bekamen sie nur ein oder zwei Mal im Jahr zu Gesicht, wenn sie ein paar handgenähte Steppdecken oder andere Dinge auf den Rücken eines Maultieres packten und runter nach Black Rock gingen, um Handel zu betreiben. Als Korban mit seinen Angeboten kam, hat es ihnen niemand verübelt, dass sie sich auszahlen lassen haben.«
    »Ich schätze, ich würde mich auch auszahlen lassen, wenn ich die Chance dazu hätte«, sagte Mason. Er dachte an Diluvium, sein erstes Auftragsstück und das schlechteste Werk, das er je hervorgebracht hatte. Und das erfolgreichste.
    Ransom kramte in der Tasche seiner Latzhose und zog erneut den federnen Lumpenball heraus. Er wedelte damit herum und machte diesen merkwürdigen Kniefall, bevor er den gusseisernen Riegel an der Tür des Schuppens anhob.
    »Ähm—Wozu dient die Feder?«, fragte Mason.
    »Zur Abwehr«, antwortete Ransom, als ob jeder einen solchen Talisman mit sich herumtrug. Er öffnete die Tür. Bevor er hineinging, trat er so heftig gegen den Türpfosten, dass seine Latzhose um seinen knochigen Körper zitterte. »Ja, ist noch stabil.«
    Mason wollte Ransom fragen, was er seiner Meinung nach abwehrte, wusste aber nicht, wie er sich ausdrücken sollte. Er verbuchte es als eine der Merkwürdigkeiten, die in dem Haus vor sich gingen. Was waren die Verschrobenheiten eines alten Mannes schon im Vergleich zu Geistergeschichten, den stets wachsamen Porträts von Korban, dem nervösen Dienstmädchen und den Kaminfeuern, die selbst an einem warmen Tag wie diesem

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