Die Tunnel der Seele
musste er zugeben. Doch manchmal machte er sich darüber Gedanken, ob ihre Beziehung auf etwas anderem außer dem Körperlichen basierte. Paul liebte den Times Square, während Adam dieser Platz nicht geheuer war. Paul hatte ein Faible für Kaffeehäuser und Partys, wohingegen es Adam bevorzugte, sich mit einem guten Buch auf die Couch zu verkrümeln. Kurz gesagt: Paul war das Nachtprogramm von MTV und Adam eine Wochenendsendung auf VH-1.
Und dann war da noch die Frage der Adoption. Adam war bereit, ein Kind aufzuziehen und ihm die riesige Menge an Liebe zu schenken, die er im Herzen trug. Durch eine Erbschaft war er an jede Menge Geld gelangt. Genug, um die Adoptionsgebühren und Anwälte zu bezahlen. Genug, um die Gerichte davon zu überzeugen, dass er alle notwendigen elterlichen Qualitäten mitbrachte. Das heißt, er war in der Lage, jedes Weihnachten sündhaft teures Spielzeug zu kaufen, damit das Kind nicht als sozialer Außenseiter aufwuchs und von seinen Schulkameraden gemobbt oder von Werbemachern für immer verabscheut wurde.
Ganz tief in seinem Inneren befürchtete Adam, dass er sich ein Kind nur wünschte, um Paul an sich zu ketten. Paul war ein Freigeist und hatte Adam sogar unwissentlich verletzt, als er sich mit einem älteren Mann auf eine wochenlange Kreuzfahrt begab. Schließlich hatte Adam den Mut aufgebracht, ihm seine Gefühle zu gestehen. Seitdem war Paul ihm treu gewesen, doch Adam fragte sich, ob vielleicht nur noch nicht die richtige Versuchung aufgetaucht war. Eigentlich war er sogar davon überzeugt, dass man erst von »Treue« sprechen konnte, wenn die Treue einem Test unterzogen und dieser erfolgreich bestanden wurde.
»Was möchtest du heute Abend anstellen?«, fragte Paul. »Wollen wir runter gehen und uns ein paar Drinks genehmigen?«
»Du hättest mit mir zusammen zu Mittag essen können.«
»Jetzt pass mal auf, wir müssen nicht jede verdammte Minute miteinander verbringen, hab ich recht?«
Adam gab keine Antwort, denn im Spiegel hatte sich etwas bewegt, ein Flackern im Kamin.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Paul.
Adam rieb sich die Augen. »Nein. Wahrscheinlich bin ich einfach nur ein bisschen durch den Wind.«
Paul legte sein spitzbübisches Grinsen auf. »Oh ja. Vielleicht hast du ja die Frau in Weiß gesehen. Und du dachtest, ich würde lügen.«
»Hier gehen zu viele andere seltsame Dinge vor. Ich habe etwas gesehen—«
»Was gesehen?«
»Ich weiß nicht. Nur die Spiegelung des Gemäldes. Ich habe das Gefühl, als ob … als ob alles außer Kontrolle gerät. Ich meine, wir sind die ganze Zeit am Streiten und ich muss mich für dein blödes Video interessieren, während du mir nicht mal zuhörst, wenn ich etwas sage. Und dieser Ort zerrt einfach an meinen Nerven.«
»Komm schon, wir sind gerade einmal drei Tage hier.«
»Und du glaubst wohl, dass unsere Probleme einfach von selbst verschwinden?«
Paul verzerrte wütend das Gesicht. »Für so etwas habe ich im Moment wirklich keine Zeit. Um ehrlich zu sein, für solche sinnlosen Diskussionen habe ich nie Zeit. Du drehst dich immer nur im Kreis.«
»Hör zu, ich habe nichts dagegen, für diesen Urlaub zu bezahlen, aber ich dachte, du würdest an deinem Projekt arbeiten—«
»Jetzt geht der Scheiß wieder los. Du und dein Geld.«
Adam war den Tränen nahe. Doch Paul verabscheute Tränen und würde ihn ein dummes, kleines Mädchen nennen. Und er würde die Worte mit der selbstgefälligen Überheblichkeit einer Person äußern, die ihre Gefühle immer unter Kontrolle hatte. Ausgenommen dem Gefühl der Wut.
»Ach, Prinzessin«, sprach Paul und umarmte ihn. »Hat jemand den Servierwagen umgekippt? Brauchst du noch vierzig Matratzen mehr, damit dich die Erbse nicht mehr piesackt?«
»Hau ab.« Unsanft schob Adam Pauls Arm von seiner Hüfte. »Du bist ein Arschloch.«
Adams Blick trübte sich vor Wut. Das war verrückt. Er verlor niemals dermaßen die Kontrolle über sich.
»In Ordnung, Prinzessin«, sagte Paul. »Warte lieber nicht auf mich.«
Adam saß auf dem Bett, als die Tür krachend ins Schloss fiel. Er wünschte, sie wären niemals nach Korban Manor gekommen. Dann stand er auf und griff nach dem Gestell, um die Betten auseinanderzuziehen. Als sie endlich in zwei getrennten Ecken des Zimmers standen, schaute er hinauf zu Korbans Porträt.
»Paul kann die Frau in Weiß haben, und ich nehme dich.«
Das Feuer dröhnte zustimmend.
29. KAPITEL
D ie Pferde waren wunderschön, schlank und muskulös, voller
Weitere Kostenlose Bücher