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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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– so sehr, dass sie laut aufschluchzte.
    Als aber nach einiger Zeit der Tränenstrom versiegt war, musste sie plötzlich feststellen, dass beim genaueren Hinsehen, zu keiner Zeit irgendein Grund zur Trauer oder gar Enttäuschung bestanden hatte. Sie war lediglich überarbeitet, das war alles.
    An diesem Tag nun war sie sehr früh schlafen gegangen und schlief bis in den hellen Vormittag hinein. Aber selbst diese Tatsache, konnte sie heute nicht zur Eile bewegen. Im Gegenteil, sie genoss es aus tiefsten Herzen. Sie war viel zu faul sich anzuziehen, und so frühstückte sie im Bademantel. Sie lehnte sich entspannt zurück, legte die Beine auf den Hocker und hörte mit halbgeschlossenen Augen verträumte Musik an. Sie fühlte sich rundum wohl, pudel wohl – wenn da nicht das Telefon gewesen wäre …
    Es war Ruth, sie war auf dem Weg zu ihr.
    Lena sah auf die Uhr: »Fast schon Mittag«, murmelte sie vor sich hin. Rasch räumte sie das Frühstück beiseite und zog sich an. Dabei sah sie sich im Spiegel etwas genauer an; es war nicht zu übersehen, einige neue Fältchen unter den Augen waren hinzugekommen. Außerdem musste sie abgenommen haben, denn die helle Stretchhose klemmte auf einmal nicht mehr. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, nahm sich die Tageszeitung aus dem Zeitungsständer und wartete auf Ruth.
    Endlich kam sie, sie war nicht allein, hatte ihren Enkelsohn bei sich. »Hier, ist das nicht ein Prachtkerl?«, hielt sie Lena den Jungen hin.
    »Ja, wirklich, ein bildhübsches Kerlchen«, drückte Lena ihn an ihre Brust. »Wem sieht er eigentlich ähnlicher, der Mutter oder dem Vater?«
    Ruth lachte. »Keine Ahnung. Manche meinen sogar, er sähe mir ähnlich; was ich aber überhaupt nicht finden kann.«
    »Hm«, machte Lena und besah sich den Jungen noch etwas genauer. »Das ist vielleicht gar nicht so falsch, zumindest der Mund, der könnte schon deiner sein, zumal wenn er ihn wie jetzt launisch verzieht.«
    »Launisch …? Als ob ich launisch sei …«, entgegnete Ruth. Sie legte den Jungen auf die Couch und wandte sich Lena wieder zu. »Was ist eigentlich mit dir los, keiner sieht dich mehr? Wo warst du die ganze Zeit? Und besonders gut siehst du auch nicht aus – hast sogar abgenommen, nicht wahr?«
    »Gott, was soll schon gewesen sein, ich habe gearbeitet, das war alles.«
    »Etwa auch abends? Denn selbst Knut hat dich nicht erreichen können.«
    »Knut …?« Ihre Augen wurden groß. »Wieso denn Knut, ich war doch so gut wie immer zu Hause?«
    Ruth zuckte verständnislos die Schultern. »Ich weiß ja auch nicht, zumindest hat er vor einigen Tagen bei mir angerufen, weil er dich angeblich nicht erreichen konnte.«
    »Seltsam«, sagte Lena und sah an Ruth vorbei zum Fenster hinaus. Sie überlegte krampfhaft, dann wandte sie sich Ruth wieder zu. »Ehrlich gesagt, das ist mir ein Rätsel. Und warum hat er es später nicht noch einmal versucht? Ich versteh das nicht.«
    »Er wird sicherlich keine Gelegenheit mehr dazu gehabt haben; Termindruck, du weißt schon. Ich denke, er wird sicherlich gleich anrufen, wenn er wieder in Bremen ist.«
    »Und wann ist das, hat er das wenigstens gesagt?«
    »Nächste Woche oder in vierzehn Tagen, er wusste es auch noch nicht genau. Außerdem soll es seiner Mutter wieder schlechter gehen. Ach so, und ich soll dir herzliche Grüße von ihm ausrichten.«
    »Aha – und das alles so ganz nebenbei.« Sie musterte Ruth mit prüfenden Blick, denn sie spürte instinktiv, irgendetwas stimmte daran nicht. Vor allem, warum rief er nicht noch einmal an, schließlich war sie die ganze Zeit zu Hause? Plötzlich hob sie den Kopf und sah Ruth fest in die Augen. »Sag mal, was hast du ihm eigentlich gesagt?«
    »Du bist gut, was soll ich denn gesagt haben, wo ich doch selbst nichts Genaues wusste«, erwiderte Ruth schroff. Und erst als Lena sie mit unmissverständlichen Geste zum Weitersprechen aufforderte, fuhr sie stockend fort: Nun«, sie wich ihrem Blicken aus, »ich – ich sagte ihm – das du möglicherweise bei deinen Kindern sein könntest. Was hätte ich denn sonst sagen sollen?«
    »Die Wahrheit, meine Liebe! Schlicht und einfach die Wahrheit! Die du nämlich sehr genau kanntest«, sagte Lena ungewöhnlich scharf. »Oder glaubst du im Ernst, dass ich für längere Zeit meine Kinder besuchen würde, wenn es einen dringenden Termin zu erfüllen gibt?«
    »Woher sollte ich denn wissen, dass du mit diesem dringenden Termin nicht nur angeben wolltest, um dich, wie schon so oft, nur

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