Die Ueberbuchte
Arm auf die hohe weiße Doppeltür. »Geht schon mal ins Wohnzimmer, ich komme gleich.«
»Du hast recht, die Wohnung scheint halbwegs erträglich zu sein«, sagte Knut zu Lena gewandt. Er blickte erstaunt zur Decke hinauf. »Immerhin, die prächtigen Stuckornamente an der Decke und die enorme Höhe bei Türen und Fenstern, lässt auf ehemals bessere Zeiten schließen. Sieh nur der Kamin, das ist ja ein direktes Meisterwerk!«
Ruth war indes unbemerkt hinter ihn getreten. »Nicht wahr, der Kamin ist ein Prachtstück«, sagte sie. »Walter, mein Mann, brachte es einfach nicht fertig ihn zu entfernen, obwohl er ja überhaupt nicht zu unserer schlichten Wohnungseinrichtung passen wollte.«
»Das wäre mir wahrscheinlich ebenso gegangen, denn allein schon die kunstvoll geprägten Kacheln, mit samt den edel wirkenden Marmorplatten, das muss einem ganz einfach gefallen«, meinte Knut.
»Besonders das aufwendige Putzen des kupfernen Rauchfanges, nebst Ziergitter an der Feuerstelle, nicht wahr Ruth?«, bemerkte Lena mit einem scheelen Seitenblick. Denn sie erinnerte sich sehr wohl daran, wie Ruth gerade diese unsinnige Arbeit nach allen Regeln der Kunst verflucht hatte.
»Gut, ich gebe zu, das hat mitunter schon ganz schön genervt.« Mit der Hand in die Runde zeigend, fügte sie mit leicht wehmütiger Stimme hinzu: »Ihr glaubt ja gar nicht, wie froh, ja wie unbändig glücklich wir waren, als uns vor mehr als fünfundzwanzig Jahren diese Wohnung zugewiesen wurde. Kein Wunder also, dass man bei der Gewöhnung dann, selbst die größten Mängel übersieht.«
»Entschuldige bitte, Ruth, das sollte natürlich keine Kränkung sein«, unterbrach Lena sie mit demütiger Gebärde.
»Ach was«, rief Ruth schon wieder zuversichtlich, »ich lebe nach wie vor sehr gern in dieser Wohnung. – Und nun kommt zum Essen!«
»Oh!«, entfuhr es Knut, als er den festlich gedeckten Tisch, in einer von Grünpflanzen versteckten Erkernische erblickte. »Ich muss schon sagen, das übertrifft bei weitem alle vorangekündigten Erwartungen. Und wie das duftet!« Er fächelte sich mit der Hand den Duft des fertig angerichteten Sauerbratens zu. »Woher wusstest du, duzte er sie unversehens, dass dies mein Leibgericht ist?«
»Das wusste ich zwar nicht; doch die Tatsache ist, dass mir das Gericht immer am besten gelingt«, erwiderte sie schlicht.
An Knuts Gesicht war unschwer abzulesen, wie hervorragend ihm das Essen geschmeckt hatte. Er tupfte sich mit der Serviette fast ehrfurchtsvoll die Lippen ab, erhob dann das Glas und sagte mit feierlichen Pathos: »Auf dein Wohl, liebe Ruth, und deiner unvergleichlichen Kochkunst! Denn ich darf ohne Übertreibung sagen, mir hat es selten so gut geschmeckt, wie heute an diesem Abend!«
»Dem kann ich mich nur anschließen«, erhob nun auch Lena ihr Glas.
Ruth strahlte. Sie schluckte ordentlich, so gerührt war sie. Nachdem die beiden Frauen den Tisch abgeräumt hatten, flüsterte Ruth Lena in der Küche zu: »Du glaubst gar nicht wie ich dich um diesen Mann beneide. So ein Glück möchte ich auch mal haben. Aber wie ich mich kenne, werde ich einmal einsam sterben. Ich habe einfach kein Talent, die Männer so wie du, für dich einzunehmen. Wie machst du das nur? Werdet ihr bald heiraten?«
»Quatsch, du übertreibst schamlos! Außerdem weißt du sehr genau, dass ich nicht gewillt bin zu heiraten – auch Knut nicht.«
»Wirklich …?« Sie sah Lena mit angehaltenen Atem lauernd an. Und als Lena nichts darauf antwortete, bohrte sie weiter: »Dann hat er dich also auch nicht gefragt?« Sie hielt plötzlich in ihrer Arbeit inne und sah Lena herausfordernd an. »Oder hat er doch?«
»Du meine Güte, Ruth, wie kann man nur so neugierig sein!«
Ruth senkte den Blick. »Entschuldige – ich glaube ich habe zu viel getrunken.«
»Ja, das glaube ich auch – deshalb ist es besser wir gehen jetzt.«
»Nein, nein«, wehrte Ruth ordentlich erschrocken ab. »Der Abend hat ja eben erst begonnen.«
Sie gingen gemeinsam zu Knut ins Wohnzimmer zurück, der inzwischen im weichen Sessel Platz genommen hatte und interessiert die Tageszeitungen überflog. Er sah kurz auf, als die beiden Frauen ins Zimmer traten und zeigte auf einen Artikel, den er gerade gelesen hatte. »Wenn man das hier liest, könnte man meinen, die völlige Angleichung zwischen Ost und West sei nur noch eine lapidare Formsache; dabei schätze ich, wird es noch viele, mühsame Jahre bedürfen.«
Lena lachte. »Da dürftest du ausnahmsweise
Weitere Kostenlose Bücher