Die Ueberbuchte
vielsagenden Blick zum Himmel hinauf. »Ich glaube, in diesem bedrohlichen Augenblick hatte ich einen ganz besonderen Schutzengel, denn es gelang mir buchstäblich in letzter Minute von der Autobahn herunterzukommen – mehr war nicht mehr drin. Ein Fahrer in unmittelbarer Nähe, der gerade seinen Bus eingeparkt hatte, bemerkte meinen Aussetzer und kam mir sogleich zu Hilfe.«
»Das ist ja schrecklich!«, rief Lena zutiefst erschrocken. »Du meine Güte, Knut, stell dir vor, ein vollbesetzter Bus, was da hätte passieren können?!« Sie presste in zärtlicher Aufwallung seine Hand gegen ihre Brust und sagt bedrückt: »Und ich hatte von alledem keine Ahnung. – Und Ruth, hatte sie das etwa gewusst?«
»Nein, natürlich nicht! Sie war ja ohnehin vor lauter Besorgnis völlig aufgelöst.«
»Aja, ich verstehe – ich natürlich nicht«, murmelte sie kaum hörbar – aber dafür mit sichtbar gekränkter Miene.
Knut aber hatte es sehr wohl gehört und auch ihre verkniffene Miene bemerkt, die sie, wie so oft schon, jedes Mal kindlich trotzig aussehen ließ. Er sagte daher so weich er konnte: »Aber Lena, mein Liebes, wie kannst du nur so etwas Dummes denken, geschweige auch noch sagen? Denn niemand weiß besser als ich, was für ein besonders mitfühlendes, warmes Herz du hast – ohne deshalb gleich in nervtötende Panik auszubrechen.« Er streichelte liebevoll ihre Wange. »Deshalb, mein Liebes, habe ich dir auch rückhaltlos alles erzählen können, ohne Gefahr laufen zu müssen, von einem stürmischen Mitleidsausbruch erdrückt zu werden.«
»Ach, du mieser Heuchler du!«, rief sie betont entrüstet. »Du wärst garantiert der erste Mann, dem dieses hochgradige Mitleidstour in Form von aufopfernder Bemutterung, nicht gefallen würde. Nein, nein«, rasch legte sie den Finger auf seine zum Protest geöffneten Lippen, »mein Lieber, deinen Protest kannst du getrost steckenlassen, ich weiß von was ich rede – schließlich war ich lang genug verheiratet. Aber jetzt mal im Ernst«, dabei sah sie ihn durchdringend an, so dass er ihren Blick nicht ausweichen konnte, »das bedeutet doch, dass du nicht mehr fahren darfst – wenigstens keinen Bus mehr, stimmt’s?«
Er seufzte. »Ja, leider …«
»Und was soll nun weiter geschehen – Behandlungsmäßig natürlich?«
»Ich bekomme, sobald sich mein Gesundheitszustand einigermaßen stabilisiert hat, einen Herzschrittmacher eingesetzt. Doch wann das sein wird«, er zuckte die Schultern, »weiß ich nicht – keine Ahnung.«
»Ein wahres Glück, dass heutzutage so etwas möglich ist. Bestimmt kein leichter Eingriff«, fügte sie beklommen hinzu.
»Gott, ob einfach oder nicht, Komplikationen sind mit Sicherheit nie ganz auszuschließen.« Er erhob sich langsam, wobei er sich fest auf der Sessellehne abstützte. »Mir wird es zu warm hier. Komm, lass uns in meine Wohnung gehen, da ist es angenehmer.«
Lena nickte und folgte ihn mit ihrem Gepäck.
Knut wandte sich zu ihr um und sagte bekümmert: »Es ist schon entsetzlich, nicht einmal dein Gepäck kann ich dir abnehmen.«
»Nun, wenn du keine andere Sorgen hast.« Sie schritt hinter ihm die teppichbelegten Stufen hinauf, und konnte sich dabei nicht verhehlen, dass sie äußerst gespannt auf seine Wohnung war. Denn sie konnte sich irgendwie nicht recht vorstellen, wie ein Mann wie er, sich sein Zuhause einzurichten vermochte.
»Bitte, meine Liebe, tritt ein und fühl dich ganz wie zu Hause!«
Unwillkürlich musste Lena lächeln, denn dieser Satz hätte ebenso gut von ihr sein können – so schielte sie nach seiner Miene, und dieser schnelle Blick in sein verschmitzt lächelndes Gesicht, reichte aus; es waren tatsächlich ihre eigenen Worte.
Sie betrat die geräumige helle Dachwohnung und blieb verdutzt an der Tür stehen. Ihre Augen wanderten mit größter Aufmerksamkeit im total unsymmetrischen Raum umher. Das konnte doch nicht sein, denn was sie hier zu Gesicht bekam, das war eine der schönsten und aufwendigsten Dachwohnungen, die sie je gesehen hatte.
»Nun, du sagst doch gar nichts? Oder gefällt es dir nicht?«, fragte er.
»Das – das ist ja – eine richtig große Wohnung!«, rief sie verzückt. Rasch streifte sie die Schuh von den Füßen und ging barfuß von einem Gegenstand zum anderen. Wobei sie jedes Detail aufs Genauste beäugte … Dann erst, nach geraumer Zeit, wandte sie sich ihm wieder zu und sagte mit nachdenklich gerunzelter Stirn: »Gib doch zu, Knut, diese Einrichtung, dieses perfekte Drum
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