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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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Menschen«, erwiderte Jane unerwartet schroff. Was ihr wahrscheinlich im gleichen Moment auch schon wieder leid tat, denn sie fügte mit ausnehmend sanfter Stimme hinzu: »Wie schrecklich, jetzt rede ich auch schon so dusselig daher.«
    Uwes Wangen färbten sich verräterisch rot. Er schob unsanft seine Tasse beiseite, so dass sie fast umgekippt wäre, und als er noch dazu Lars belustigtes Lächeln bemerkte, schien ihn nichts mehr halten zu können, er stand ruckartig auf und verließ mit lauten Türknallen fluchtartig das Zimmer.
    Lars sah seinen Bruder kopfschüttelnd hinterher. »Was ist denn in den gefahren?«
    »Nun, was schon …«, antwortete Carola gedehnt.
    Ohne noch weiter auf dieses Thema einzugehen, wandte sich Lars an Jane: »Wie ist das eigentlich, hast du nicht mal Lust mit uns zum Segeln zu gehen?«
    »Aber, Lars, du weißt doch, dass Jane ein Kind hat«, rügte Carola ihn.
    »Und, wo liegt da das Problem? Sie hat es doch jetzt auch nicht bei sich.«
    Jane lächelte etwas gezwungen. »Nein, Carola hat schon recht, es geht wirklich nicht. Ich muss sowieso schon viel zu oft meine Mutter mit der Kinderbetreuung belasten.«
    »Ist sie denn nicht zu Hause?«, erkundigte sich Carola nun wesentlich freundlicher.
    »Nein«, erwiderte Jane abweisend.
    »Ach ja«, sagte Lars, »jetzt erinnere ich mich wieder; deine Mutter ist geschieden, nicht wahr?«
    Jane nickte und stand auf. »Ich glaube, ich muss mal nach Uwe sehen, damit ich nicht zu spät nach Hause komme.«
    Edda horchte auf. Ihr Gesicht entspannte sich, und sie wechselte einen beredten Blick mit ihrem Mann.
    Selbst Knut wusste, dass Jane erst am anderen Tag nach Hause fahren wollte; ob das nun Uwe oder Jane selbst gesagt hatte, war ihm entfallen. Oder nahm Jane etwa an, dass Lars und Carola über Nacht bleiben würden? Doch von seiner Mutter wusste er, dass sie das so gut wie nie taten; denn das hätte ja bedeuten können, dass Lars bei der Arbeit hätte mit zupacken müssen.
    Nachdem auch Edda sich erhoben hatte, folgten alle anderen ihrem Beispiel.
    »Warte, Mutter, ich helfe dir!«, sagte Knut und stützte sie fürsorglich beim Aufstehen.
    »Gehst du mit nach draußen?«, wollte seine Mutter wissen.
    »Zur Bank, oder wohin …?«
    Sie nickte. »Ja, dort ist es am schönsten, findest du nicht auch?«
    »Ja, das stimmt, zumal in dieser Jahreszeit.« Er rief plötzlich erschrocken: »Vorsicht, Mutter!« Da sie fast über eine erhöhte Grasnarbe gestolpert wäre, so dass er gerade noch rechtzeitig, den vor Schreck zitternden Körper an sich drücken konnte.
    »Gott, wie ungeschickt aber auch!«, murrte seine Mutter leise. Und als sie wenig später die bewusste Bank erreicht hatten, ließ sie sich mit tiefen Aufatmen nieder. »Die Knochen – die werden halt auch immer steifer. Morgens, da ist es am Schlimmsten!«, klagte sie. »Deshalb, mein Jung, graut es mich vor dem Tag, wo ich gar nicht mehr hochkomme – eine ewige Angst ist das.«
    Diese unerwartete zitternde Angst seiner Mutter, hatte ihn seltsam berührt und er verstand dieses merkwürdige Gefühl nicht sofort einzuordnen. Eine gewisse Hilflosigkeit, die ihn tief innerlich mit Scham erfüllte – schließlich war es seine Mutter. Denn, dass sie einmal ernsthaft gebrechlich, nicht mehr sich selbst würde behelfen können, oder gar noch schlimmer, einmal nicht mehr da sein würde; dieser Gedanke war ihm völlig neu, einfach unerträglich.
    Bisher hatte er noch niemals über dergleichen nachgedacht. Seine Mutter gehörte zu seinem Leben, auch wenn er nur selten bei ihr weilte; genau wie dieses Stück Land hier, wo er geboren und aufgewachsen war. Es war ein Stück von ihm, ein Stück seines Lebens. Ohne seine Mutter, würde die letzte Verbindung abreißen, sich in ein Nichts auflösen – zur bloßen Erinnerung werden.
    »Was sagst du zu alledem?«, hörte er seine Mutter fragen.
    »Zu was …?«, fragte Knut zurück, obwohl er ihre Frage sehr gut verstanden hatte.
    Sie antwortete nicht sofort, sondern schien in sich hineinzuhorchen. Langsam hob sie den Kopf und wandte ihm ihr kleines, faltiges Gesicht voll zu, wobei ihre tiefliegenden Augen ihn wissend ansahen. »Du weißt sehr genau was ich meine …«
    Diesem durchdringenden Blick seiner Mutter standzuhalten, fiel ihm ungemein schwer. Schließlich ahnte er, dass sie eine offene, absolut ehrliche Antwort von ihm erwartete. Wozu er aber nicht die geringste Lust verspürte. Denn er hatte sich bisher erfolgreich aus allen Familienproblemen

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