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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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Stoßseufzer: »Du bist es, mein Jung, der mir Sorgen macht! Große Sorgen sogar!«
    »Ich …?«
    »Ja, du! Denn du bist der Einzige in unserer Familie, der alleine lebt. Du hast niemand der dir einmal hilft. Dabei geht es, auch in deinem Alter, mitunter sehr schnell, dass man auf Hilfe angewiesen ist.«
    »Aber Mutter, was sind das mit einem mal für seltsame Töne?« Er zog sie liebevoll an sich und küsste sie herzlich auf die gefurchte Wange. »Das ist zwar sehr lieb von dir, dass du dich um mich sorgst, aber leider vollkommen unnötig. Erstens bin ich kerngesund und Zweitens bin ich längst noch nicht alt, und hoffe es auch nicht so bald zu werden.«
    »Sag das nicht, schließlich warst du erst längere Zeit krank, und das ganz schön heftig.«
    »Dafür aber fühle ich mich jetzt auch wieder wie neugeboren«, übertrieb er schamlos.
    »So so …« Sie warf ihm einen raschen, misstrauischen Blick zu, hüstelte etwas verlegen und sagte schlicht: »Trotzdem gefällt mir das nicht. Nein, ganz und gar nicht!«
    »Was? Etwa das ich mich gesund fühle?«
    »Unsinn! Das du noch immer keine Frau hast.«
    »Ach so …« Er atmete erleichtert auf. Den Kopf weit nach vorn gebeugt, beobachtete er mit scheinbar größten Interesse die geschäftigen Ameisen ihm zu Füßen, die mit winzigem Abfall beladen, unermüdlich auf dem schmalen Weg hin und her wechselten. Es war schon erstaunlich, wie geschickt diese kleinen Wesen, ein Vielfaches ihrer Körpergröße wegzuschleppen vermochten.
    Seine Mutter legte die Hand auf seinen Arm, und seinem Blick folgend, sagte sie leise, wobei ihre Stimme und Augen mit Trauer erfüllt waren: »Selbst diese Lebewesen leben in der Gemeinschaft.«
    Knut lehnte sich zurück. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, sah er unter halbgeschlossenen Lidern auf den schmächtigen, vom hohen Alter und viel zu viel Arbeit gekrümmten Rücken seiner Mutter. Und wie jedes Mal, wenn er sich ihrer zusammengeschrumpften Gestalt bewusst wurde, überkam ihm ein tiefes, wehes Mitleid, oder auch so etwas wie Schuldgefühle, weil er nicht einmal zu dieser Stunde in der Lage war, sie von ihren Sorgen, ihrer selbst auferlegten Mutterpflicht zu befreien. Und obwohl sie bemüht war, die neuen Lebensmaßstäbe begreifen zu lernen, galten sie dennoch nicht für ihn, da er dieser heranwachsenden Generation bereits entwachsen war. »Mutter«, begann er schleppend, fast gehemmt, »es ist ja nicht so, dass ich nicht gewollt hätte – mir ist höchstwahrscheinlich nur die Richtige nie begegnet.«
    »Was heißt schon die Richtige? Eine wirkliche Garantie, mein Jung, wirst du in diesem Falle nie bekommen. Selbst bei einer noch so großen Übereinstimmung und allergrößter Verliebtheit, bleiben die Enttäuschungen nicht aus. Denn erst dann beweist sich, wie groß die Liebe wirklich ist. Und erst dann beginnt man zu begreifen, dass es so etwas, wie eine Richtige oder einen Richtigen nicht wirklich geben kann; sondern die beiderseitige Kompromissbereitschaft erst, könnte möglicherweise die Voraussetzung dazu schaffen.«
    »Nanu, Mutter – so weise heute?«, sagte er mit neckischen Augenzwinkern. Doch gleich wieder ernst werdend fügte er hinzu: »Du hast ja recht, Mutter, ohne beiderseitiges Zutun erreicht man keine Gemeinschaft. Aber auch wenn ich mitunter den Wunsch hierfür verspürt haben mag, verflog dieser zumeist, noch bevor das Wollen in Aktion treten konnte. Irgendetwas kam immer dazwischen, und wenn es auch nur der andere Geschmack oder die anderen Gewohnheiten gewesen wären. Möglicherweise hätte ich auch nur die Veränderung meines gewohnten Lebens nicht ertragen können, das unumgänglich gewesen wäre. Nun, das Wollen war anscheinend immer wesentlich kleiner als der Wunsch. Dabei muss ich zugeben, dass ich früher nicht halb so oft diese Möglichkeiten in Betracht gezogen habe, als heute zum Beispiel.«
    »Oh, dann scheint ja noch nicht alles verloren zu sein!«, rief seine Mutter erfreut.
    »Nun, wenn es dir hilft, dann meinetwegen«, bemerkte Knut lachend. »Aber jetzt sollten wir endlich ins Haus zurückkehren, sonst erkältest du dich wirklich noch«, mahnte er.

    Wenig später, zumindest früher als geplant, verabschiedeten sich Carola und Lars in größter Eile. Und kurze Zeit darauf auch Jane und Uwe. Wobei Jane, während sich Uwe mit seinen Eltern unterhielt, sich den ungestörten Augenblick zunutze machte, um sich von Knut zu verabschieden. Sie streckte ihm mit freundlichen Lächeln, ihre überaus

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