Die Ueberbuchte
Wellen sich schäumend über diese Steinwälle ergossen. Nun aber herrschte eine friedvolle, wunderbare Stille.
Doch trotz aller Müdigkeit, konnte sie keinen Schlaf finden. Ihr fehlte zunehmend ihre federleichte, rundum anschmiegsame Daunendecke, die hier in südlicher Region, durch eine fest untergeschlagene Bettdecke, mit dazugehörenden Überschlaglaken ersetzt wurde – die aber dadurch ein unangenehmes Unbedecktsein verursachte. Denn das gewohnte Bedürfnis, sich förmlich in die Decke hineinzukuscheln, sie dadurch wohlig am ganzen Körper zu spüren, blieb bei dieser Methode der straff unter der Matratze untergeschlagenen Decke völlig aus. Und so ertappte sie sich immer wieder dabei, wie sie selbst unbewusst im Schlaf an der Decke zog und zottelte.
Dagegen Knut, der sich längst mit den verschiedenartigsten Gewohnheiten anderer Länder angefreundet hatte, litt kaum noch unter dem sonst üblichen Gewöhnungsstress, den Ungeübte mehr oder weniger ausgesetzt waren. Er schlief überall gleich gut, selbst unter freien Himmel, wie es in früheren Jahren, als Fernfahrer oft genug geschehen war. Doch heute, in seinem Alter, da bevorzugte er auch schon lieber die Bequemlichkeit, am liebsten in seinen eigenen vier Wänden.
Der Morgen war frisch und der Himmel überwiegend blassblau. Nur über dem See und den Berghängen, hielten sich dichte weiße Nebelschwaden. Doch bei höher steigender Sonne, hoben sich die faserig schwebenden Schleier, um sich allmählich im hellen Licht aufzulösen.
Wie immer, wenn sich Lena auf Reisen befand, dann befiel sie eine innere Unruhe, die ersten Tage zumindest, wo eine ständig anhaltende Neugier, auf immer schönere, immer einmaligere Erlebnisse, sie wie eine imaginäre, verderbliche Droge aufputschte, verhinderte dies den ruhigen Schlaf. Früher, oder besser, die ersten Male, hatte sie diese innere Unruhe geängstigt und unsicher gemacht, doch jetzt nicht mehr, sie hatte sich weitestgehend daran gewöhnt.
Deshalb scheute sie sich jetzt auch nicht mehr, das zu tun, was sie allein für richtig und gut empfand, ohne dauernd auf die Gepflogenheiten der anderen achten zu müssen – die Hauptsache sie fühlte sich wohl und hatte ihren Spaß daran. So ging sie eben in aller Herrgottsfrühe, und zwar ganz allein, am dunstverhangenen See spazieren. Es begegnete ihr niemand, nicht einmal ein Hund oder eine Katze, denn hierzulande wäre wohl kaum einer dazu zu bewegen gewesen, freiwillig so früh aufzustehen.
Sie setzte sich auf den vom Morgendunst angefeuchteten, von Wind und Wasser blankgescheuerten Stein und sah auf den nur leicht gekräuselten See hinaus. In südlicher Richtung vermischte sich der See, fast übergangslos mit dem blassblauen Himmel. Sie beugte sich zum steinigen Boden, um zwischen den klobigen Felssteinen, kleine weiße Kiesel zu suchen, die sie dann wie in Kindertagen, flach über das Wasser warf, und wie freute sie sich darüber, dass es ihr noch so gut gelang.
Dieses unschuldige Spiel bemerkt Knut, als er noch vor dem Frühstück den Bus für die Weiterfahrt zu reinigen begann. Er sah den ausgestreckten Arm, der die Kiesel mit leichtem Schwung über das Wasser beförderte, und er wusste sehr genau, das konnte nur sie, Lena sein. Auch wenn das dichte Strauchwerk ihre Gestalt weitgehend verdeckte, sah er sie deutlich vor sich, wie sie bei jedem gelungenen Wurf die Luft freudig tief einsog. Und den Kopf mit den zusammengezogenen Augenbrauen leicht nach hinten bog, nur um der kraftvollen Spannung im Arm Genüge zu leisten. Unwillkürlich begann er schneller zu arbeiten. Aber als er bemerkte, dass sich Lena von ihrem kindlichen Spiel distanzierte und sogar Anstalt machte den Platz zu verlassen, beeilte er sich noch etwas mehr. Nicht dass er die Absicht hegte zu ihr zu gehen, nein, das hätte er nun doch nicht gewagt, da er ja nicht einmal wusste, ob ihr das überhaupt recht gewesen wäre. Endlich hatte er es geschafft, die Scheiben blitzten im Sonnenlicht und der Teppichbelag im Gang war ohne jeden Krümel. Gerade als er den Bus verlassen wollte, rief Lena ihm »einen wunderschönen guten Morgen« zu.
Sie winkte ihm noch freundlich zu, dann verschwand sie eilig in der Hotelhalle. Es war höchste Zeit, wenn sie noch vor dem Frühstück ihr Gepäck zum Bus bringen wollte, denn die anderen standen bereits in Abreisepose in der Hotelhalle herum. Und als sie sich möglichst unauffällig zur Treppe durchschlängeln wollte, stand auf einmal die rundliche Frau vom
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