Die Ueberbuchte
lachte. »Das dürfte nun wirklich kein Geheimnis sein. Außerdem, Sie wissen doch, dass nicht nur Sie sich darüber wundern; wir auch. Und ich habe schon einmal erklärt, dass die grenzenlose Panikmache über unbezahlbare Mieten und steigende Grundstückspreise, auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Allein schon die pausenlos gepriesene Chance, das der Eigentumswert innerhalb weniger Jahre um ein Vielfaches steigen wird und somit den absoluten Gewinn garantiert; das kann ja gar nicht überhört werden! Selbst wenn außer einem mickrigen Bausparvertrag und einem wackeligen Arbeitsplatz, nichts sonst vorhanden ist, steht einer eventuellen Baufinanzierung garantiert nichts mehr im Wege. – Und, sind wir doch mal ehrlich, den wirklichen Gewinn daran machen doch nur die großen Banken und Baufirmen, und wo die überwiegend herkommen, brauche ich Ihnen nun wirklich nicht zu sagen. Denn genau die sind es doch, die mit den nötigen Fördergeldern und Abschreibungen ausgestattet werden, und damit das wirklich große Geschäft machen – und nicht diese armen Schlucker, die irgendwann von der hohen Kreditlast erdrückt werden.«
Der Mann schmunzelte amüsiert. Er antwortete aber nicht sofort, sondern überlegte angestrengt. »Wahrscheinlich haben Sie sogar recht. Und ich fürchte fast, genau wie Sie auch, dass in spätestens zwei bis drei Jahren – gut, sagen wir vier Jahren, also bis 97 – 98, die Pleitewellen und Versteigerungen überhandnehmen werden.«
»Ja, das glaube ich auch.«
»Hier, Sie wollten doch noch lesen«, schob er ihr die Zeitung hin. »Sie müssen mich einen Augenblick entschuldigen, aber ich muss unbedingt mal nach meiner Frau sehen.«
»Gute Besserung an Ihre Frau!«, rief Lena ihm noch nach. Sie sah auf die Uhr und dachte, wo nur Knut so lang bleibt? Sie ging mit ihrem halbvollen Weinglas hinaus auf die Terrasse, wo inzwischen eine ausgelassen fröhliche Stimmung herrschte. Da kein Stuhl mehr vorhanden war, setzte sie sich auf die weiß getünchte Balustrade, die das gesamte Anwesen umgab. Eben schob sich der Mond in voller Größe, in unmittelbarer Nähe der Insel Capri, am Horizont herauf. Trotz klaren Himmels, blitzten nur vereinzelte Sterne auf. Ein kleines Fischerboot tauchte im schmalen Lichtstreifen des Mondes auf. Der schwache Lufthauch war angenehm mild und erfrischend zugleich. Der Mond stieg höher und höher und Knut war noch immer nicht zurück. Und so sehr sie sich auch bemühte, die Fröhlichkeit der anderen zu teilen, gelang es ihr nur halbherzig, bis gar nicht. War es nun die Schönheit der Insel, die auch bei Nacht ihren Zauber nicht verlor, oder war es der Abschied von Knut, der sie derart melancholisch stimmte? Es wäre geheuchelt, wenn sie so tat als mache ihr das alles nichts aus. O nein, die plötzlich wiedererwachte Sehnsucht nach Zärtlichkeit, nach Gemeinsamkeit, hatten sie mit einer Reihe gänzlich neuen Gefühlen überhäuft, die ihr, das musste sie sich offen eingestehen, gut getan hatten. Und oft genug war sie nahe daran, sich diesen schaurig schönen Gefühlen hinzugeben, sie einfach zu genießen.
»Lena, wo bleibt denn eigentlich unser Busfahrer?«, rief da eine weinselige Stimme aus dem Hintergrund.
»Ich weiß es nicht – er ist noch wegen der morgigen Abreise unterwegs.«
Eine Frau, mit der Lena noch kein zehn Worte gesprochen hatte, schon weil sie stets so abweisend, irgendwie griesgrämig dreingeschaut hat, rief ihr zu: »Sie müssen doch zugeben, Lena, mit der Überbuchung konnte Ihnen ja gar nichts Besseres passieren!«
»Und deshalb stoßen wir jetzt gemeinsam auf die glückliche Fügung an!«, rief ein Mann mit hocherhobenen Glas.
»Dürfte ich vielleicht mit anstoßen?«, erklang da Knuts dunkle Stimme aus dem Halbdunkel heraus. Er sah sich suchend um. »Ach, da steckst du ja«, näherte er sich Lena. »Dieter hat mich noch zu einen Drink eingeladen, den ich nicht gut abschlagen konnte, obwohl mir seine Lamentation über den angeblich viel zu harten Konkurrenzkampf, den andauernden Querelen der angeheirateten Verwandtschaft, und so weiter, ganz schön auf die Nerven ging. Dabei ließ er auch nicht die kleinste Gelegenheit aus, um seine überragende Cleverness ins rechte Licht zu rücken. Wenn der geahnt hätte, dass ich die meiste Zeit gar nicht zugehört habe, würde er ganz schön sauer gewesen sein.«
»Wie ist das, kennst du eigentlich schon dein nächstes Reiseziel?«
»Hundertprozentig noch nicht, da sich durch gewisse Ausfälle sehr schnell
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