Name?«
»Manubhai.«
Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm hilflos nachzublicken. Jeder schien weit mehr zu wissen als ich. Also blieb mir nichts anderes übrig, als weiter nach Teilen des Puzzles zu suchen, bis sich das Ganze zu einem Bild zusammenfügte.
»Warten Sie!«, rief ich ihm noch einmal nach. »Wo sind die ganzen Fotos von Durga und ihrer Schwester geblieben?«
»Vor zwei oder drei Jahren hat sie sie allesamt zerrissen. Sie kann schrecklich wütend werden, und wenn das passiert, ist es wie das Ende der Welt.«
»Wieso ist sie denn so wütend geworden?«
»Das war wegen ihrer Eltern. Sie hat sich ständig mit ihnen gezankt. Doch nun lassen Sie mich gehen. Ich habe noch zu tun.«
»Ist es möglich, Sie wiederzusehen?«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung und trat hinaus in den Hof. Ich folgte ihm, erleichtert, diesem dunklen, erstickenden Haus den Rücken kehren zu können. Ja, es war in jeder Hinsicht ein Totenhaus. Als ich die Bücher in meine Tasche stopfte, fiel aus einem von ihnen ein Foto heraus. Auf das Motiv war ich nicht gefasst gewesen: Es zeigte ein nacktes Mädchen, dessen Gesicht zur Hälfte hinter einer dichten, schwarzen Locke seines Haares verborgen war. Aber wie Durga sah sie nicht aus.
â â â
An
[email protected] Hallo! War toll, dich im Fernsehen zu sehen. Gut schaust du aus, und ausgesprochen schwanger! Ich bin heute in dem Haus gewesen, aber das Komische ist, dass ich nicht ein einziges Foto von Durga oder Sharda entdecken konnte. Kannst du dir erklären, wo die geblieben sein könnten? Manubhai sagt, sie wären alle zerrissen worden. WeiÃt du irgendwas über Durgas Hauslehrer? Ich denke, dass ich mich mal mit ihm zusammensetzen sollte.
Pass auf dich auf, Simran
An
[email protected] Hallo, für mich wird es Zeit, in die Klinik zu gehen. Sobald ich da wieder raus bin, maile ich dir die Bilder. Bist du bei Facebook? Das ist dann einfacher. Durgas Hauslehrer habe ich nie gesehen, tut mir leid. Frag doch Durga selbst nach Rahul. Ich glaube, sie wird mit dir eher über ihn sprechen als mit mir.
Ich hänge dir einen Ausschnitt aus der Daily Mail von heute an. Könnte vor Wut an die Decke gehen, aber was sollen wir tun.
Binny
4. KAPITEL
12. September 2007
Es ist nicht leicht, zu versuchen, ein Mädchen zu sein. Ein Mädchen hat nur wenige Vorzüge, mit denen es geboren wird oder die es sich verschaffen kann. Man zieht dir Kleider an und bindet dir Bänder ins Haar, schmückt deine Arme mit Reifen und deine FüÃe mit Kettchen, bringt dir zu singen und zu tanzen bei und wie man Kuchen backt, doch wie sieht es mit deinem Innenleben aus? Nach auÃen hin kannst du lächeln und Gemüse schneiden und dich im Schneidersitz hinsetzen und »Verehrung sei dir, Tante« sagen, aber in dir gärt ständig die Wut, während du aus dem Fenster schaust und dir wünschst, mit den Jungen losrennen zu können.
Die Jungen brauchten nicht in die Ordensschule, sie gingen auf ganz normale gemischte Internatsschulen, wo sie zu rauchen und zu trinken lernten; meine Schwester und ich jedoch mussten uns »auf die Ehe vorbereiten«. Ich glaube, meine Schwester war klüger als die Jungen. Aus ihr wäre bestimmt mal eine kluge Geschäftsfrau geworden. Sie brauchte nur einen Blick in die Börsennachrichten im Fernsehen zu werfen, um uns sagen zu können, welche Aktien steigen würden und welche nicht. Sie hat die Entwicklung über ein paar Wochen beobachtet und schlieÃlich komplizierte Diagramme aufgestellt, anhand derer mein Vater dann in Anteile investierte. Aber für wen kaufte er diese Aktien? Nicht für sie. Alles geschah im Namen der Jungen. Meine Schwester bekam nie etwas ab, weil sie, wie auch ich, paraya dhan war. Amla hat mir das Prinzip des paraya dhan erklärt. Es bedeutete im Grunde, dass Mädchen ein Vermögen darstellten, aber kein Vermögen, das dir gehörte, sondern jemand anderem, deinem Ehemann zum Beispiel. Dieser Mann würde eines Ta ges mit viel Musik und Tanz zu dir kommen und dir deinen Reichtum wegnehmen. So, wie ich es verstanden hatte, würde das auch schon recht bald geschehen, denn Mädchen wären wie Pferde, bei denen die jungen Fohlen leichter zu handhaben seien als die älteren Tiere. Und je jünger man war, umso begehrter war man auch.
Innerlich war meine Schwester wie ich. Sie wollte, dass