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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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daß einige der Mitreisenden, die kurz davor waren, den Verstand zu verlieren, ihn behielten; und es war durchaus denkbar, daß mehr als einer den Verstand völlig verlieren würde, wenn er beim Erwachen das Schicksal vor Augen hatte, von dem er wußte, daß es auch ihn ereilen würde.
    Doch Jenkins war schwerer als er aussah. Sein lebloser Körper war so unglücklich zwischen den Duchten eingeklemmt, daß er kaum herauszukriegen war. Als McKinnon die Stricke, mit denen man ihn vorsichtshalber festgebunden hatte und Nicolson dabei half, den Toten nach Steuerbord zu schleppen, war mehr als die Hälfte des Rettungsbootes wachgeworden und sah ihnen dabei zu, wie sie sich mit dem Leichnam abmühten. Alle begriffen, daß Jenkins tot war, obwohl ihre matten Augen weiterhin einen Ausdruck seltsamer Verständnislosigkeit behielten. Keiner von ihnen sagte etwas; es schien, als würde es Nicolson und McKinnon gelingen, Jenkins über Bord zu hieven, ohne daß irgendwelche hysterischen Ausbrüche erfolgten.
    Plötzlich kam von vorn ein lauter Schrei, so laut, daß selbst der Müdeste aus seiner Lethargie aufschrak, den Kopf mit einem Ruck herumnahm und nach vorn zum Bug starrte. Auch Nicolson und McKinnon gab es einen Ruck, sie ließen den Toten fallen und fuhren herum: in dem gedämpften Schweigen der tropischen Morgendämmerung hatte der Schrei unnatürlich laut geklungen.
    Es war Sinclair, der junge Soldat, der geschrien hatte. Er hatte Jenkins nicht gesehen, er hatte überhaupt nicht in diese Richtung gesehen. Er kniete auf den Bodenbrettern und bewegte den Oberkörper langsam vor und zurück, während er nach unten auf einen Mann starrte, der flach auf dem Rücken lag. Und jetzt, während Nicolson ihn beobachtete, warf er sich zur Seite und vergrub den Kopf in seinen Armen, die er auf den Dollbord gelegt hatte, wobei er leise vor sich hin stöhnte.
    Innerhalb von drei Sekunden war Nicolson bei ihm und sah hinunter auf den Mann, der auf den Bodenbrettern lag. Seine Kniekehlen hingen über einer Ducht, und seine Füße zeigten gen Himmel. Er war rücklings von der Ruderbank gefallen, auf der er gesessen hatte. Sein Kopf lag unten im Wasser, und dieser Kopf gehörte Achmed, dem mohammedanischen Priester, Farnholmes sonderbarem schweigsamem Freund. Er war tot.
    Nicolson beugte sich zu ihm, fuhr mit der Hand rasch unter das schwarze Gewand, um nach dem Herzschlag zu fühlen, und zog die Hand ebenso rasch wieder heraus. Die Haut fühlte sich kalt und feucht an; der Tod mußte schon vor mehreren Stunden eingetreten sein.
    Nicolson schüttelte verblüfft den Kopf und sah zu McKinnon hin, der ein genauso verblüfftes Gesicht machte. Dann sah er wieder nach unten und beugte sich über den Toten. Er versuchte, ihn an den Schultern hochzuheben, und bei diesem Versuch steigerte sich seine Verblüffung zum Schreck: es war ihm nicht möglich, den Toten mehr als ein paar Zentimeter von der Stelle zu bewegen. Er versuchte es erneut, wiederum ohne Erfolg. Auf seinen Wink hob McKinnon die eine Seite des leblosen Körpers hoch, während Nicolson sich so tief hinunterbeugte, daß sein Gesicht fast im Wasser war. Da entdeckte er, weshalb es ihm nicht gelungen war, den Toten hochzuheben: zwischen den Schulterblättern steckte ein Taschenmesser, dessen Klinge bis zum Heft hineingestoßen war, und der Griff des Messers hatte sich unten zwischen den Bodenplanken festgeklemmt.

Elftes Kapitel
    N icolson stand langsam auf und fuhr sich mit dem linken Arm über die Stirn. Sein rechter Arm hing locker herunter, die Hand aber umspannte mit festem Griff den Kolben seines Colts. Nicolson konnte sich nicht daran erinnern, ihn herausgeholt zu haben. Er zeigte auf den am Boden liegenden Priester.
    »Dieser Mann ist tot.« Die ruhige Stimme drang mit Leichtigkeit durch das gedämpfte Schweigen. »In seinem Rücken steckt ein Messer. Der Mörder sitzt in diesem Boot.«
    »Tot! Er ist tot, haben Sie gesagt? Mit einem Messer im Rücken?« Farnholme kam hastig nach vorn und kniete sich neben den Priester. Im nächsten Augenblick war er wieder hoch, und sein Mund war ein schmaler weißer Strich in der Dunkelheit seines Gesichts. »Geben Sie mir die Pistole, Nicolson. Ich weiß, wer es war.«
    »Hände weg!« sagte Nicolson und hielt sich Farnholme mit steifem Arm vom Leibe. »Tut mir leid, Brigadier, aber solange der Kapitän nicht bei Bewußtsein ist, habe ich hier an Bord das Kommando. Ich kann nicht zulassen, daß Sie selbstherrlich Justiz üben wollen. Und wer

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