Die Überlebenden der Kerry Dancer
bronzebraunen Hand, die ihn in der Mitte umfaßt hielt, vorbei an dem Ladehebel und dem Magazin zu dem hölzernen Schaft und der anderen Hand, und von da aus weiter zu dem Koppel, der graugrünen Uniform und dem Gesicht unter dem Schirm der Uniformmütze, einem Gesicht, dessen Lippen sich über die Zähne zurückgezogen hatten in einem Lächeln, das alles andere als ein Lächeln, das ein Zähneblecken war, haßerfüllt und erwartungsvoll, eine höhnische Bosheit, die ihre genaue Entsprechung in dem blutgierigen Ausdruck der kleinen Schweinsaugen fand. Und eben jetzt, während Nicolson dieses Gesicht ansah, zogen sich die Lippen noch weiter über die langen Schneidezähne zurück, und der Mann lehnte sich erneut gegen den Schaft des Gewehrs. Die Spitze des Bajonetts schnitt glatt durch die Haut unten am Halsansatz, und Nicolson spürte, wie ihm übel wurde, wie Ekel und Übelkeit ihn überströmten wie Wogen. Das Licht in der Hütte schien zu flackern und sich zu trüben.
Sekunden vergingen, und allmählich kehrte sein Sehvermögen zurück. Der Mann, der über ihm stand – ein Offizier, wie Nicolson jetzt sah, mit einem Schwert an der Seite –, hatte sich nicht bewegt, und das Bajonett saß unverändert an seiner Kehle. Langsam und mühsam, so gut es ging, ohne seinen Kopf oder Hals auch nur einen Millimeter zu bewegen, ließ Nicolson den Blick in der Hütte umherwandern, und von neuem überkam ihn Übelkeit. Diesmal nicht verursacht durch das Bajonett, sondern durch das Gefühl der Bitterkeit, der tiefen, hoffnungslosen Verzweiflung, das einer Flutwelle gleich in seiner Kehle aufstieg. Der Mann, der über ihm stand, war nicht der einzige feindliche Wachtposten in der Hütte. Außer ihm waren wenigstens noch ein Dutzend andere da, alle mit Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten, und alle hielten die Spitzen ihrer Bajonette nach unten auf die Männer und Frauen gerichtet, die schlafend am Boden lagen. Es war etwas Unheimliches und Unheilverkündendes in ihrer lautlosen Heimlichkeit, ihrer unbeweglichen Konzentration. Nicolson fragte sich, ob sie alle im Schlaf niedergemetzelt werden sollten; doch er hatte es kaum gedacht, als der Mann über ihm das lastende Schweigen brach und ihn eines anderen belehrte.
»Ist das hier das Schwein, von dem du gesprochen hast?« Sein Englisch war fließend, und er sprach es mit der grammatikalischen Korrektheit eines Mannes, der eine Fremdsprache nicht in dem fremden Land, sondern in der Schule gelernt hat. »Ist das der Anführer dieser Leute?«
»Das ist der Mann, der Nicolson heißt.« Die Antwort kam von Telak, der im Schatten des Eingangs draußen vor der Hütte stand. Seine Stimme klang sonderbar fern und gleichgültig. »Er ist der Anführer.«
»Stimmt das? Mach's Maul auf, du englisches Schwein!« Der Offizier verlieh seiner Aufforderung Nachdruck, indem er erneut gegen Nicolsons Kehle stieß. Nicolson konnte fühlen, wie das Blut langsam und warm auf den Kragen seines Hemdes sickerte. Einen Augenblick lang dachte er daran, die Frage zu verneinen und zu sagen, daß Kapitän Findhorn sein Vorgesetzter sei, doch sein Instinkt sagte ihm augenblicklich, daß der Mann, den die Japaner für den Verantwortlichen hielten, von ihnen sehr hart angefaßt werden würde. Kapitän Findhorn war nicht in der Verfassung, irgendwelche weiteren Schläge einstecken zu können. Bei dem Zustand, in dem er sich jetzt befand, konnte unter Umständen schon ein Faustschlag genügen, ihn zu töten.
»Ja, ich habe das Kommando«, sagte er. Er sah auf das Bajonett, überlegte sich, ob er versuchen sollte, es beiseite zu schlagen, und machte sich klar, daß die Sache hoffnungslos war. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, waren ja all die andern Posten im Raum, die nur darauf warteten, ihn niederzuschießen. »Nehmen Sie das verdammte Ding da von meinem Hals weg.«
»Aber natürlich! Wie vergeßlich von mir.« Der Offizier entfernte das Bajonett, trat einen Schritt zurück und stieß Nicolson mit dem Fuß heftig in die Seite, oberhalb der Nieren. »Sie gestatten: Hauptmann Yamata«, sagte er leise und mit höhnischer Höflichkeit. »Offizier der kaiserlich-japanischen Armee. Überlegen Sie sich in Zukunft Ihre Worte besser, wenn Sie mit einem japanischen Offizier sprechen. Steh auf, du Hund!« Dann rief er mit lauter Stimme: »Aufstehen, alles aufstehen!«
Langsam und unsicher kam Nicolson auf die Füße, sein Gesicht war grau unter der dunklen Bräune, und der Schmerz in seiner Seite war so
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