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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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ausgehungerten Lungen nach Luft schnappten. Der Schweiß lief ihnen in Strömen am Körper herunter; doch sie liefen weiter und hörten nicht auf zu laufen: Telak, weil er hier in seinem Element war, und weil sein Vater tot im Dorf lag, ein japanisches Bajonett in der Brust; McKinnon, weil er noch immer vor Wut rasend war und sein Herz ihn so lange in Gang halten und weiterlaufen lassen würde, bis er umfiel; und Nicolson, weil er nicht mehr bei sich, weil er außer sich war, und aller Schmerz, alle Qual und Anstrengung nicht ihn betrafen, sondern irgendeinen anderen.
    Als sie das zweite Mal die Straße kreuzten, sahen sie in der Dunkelheit, keine zwei Meter entfernt, den Lastwagen der Japaner stehen. Sie verhielten nicht einmal den Schritt, denn sie sahen einwandfrei, daß niemand mehr darin saß, daß die Japaner ihre Gefangenen mitgenommen und eilig zu Fuß den Weg zur Stadt fortgesetzt hatten. Der Wagen hatte es sehr viel weiter geschafft, als sie erwartet hatten, bis er dann schließlich stehengeblieben war; mindestens halbwegs bis nach Bantuk. Wie lange es her war, daß die Japaner ihn stehengelassen hatten, ließ sich nicht feststellen. Nicolson wurde klar, daß ihre Aussichten dadurch sehr viel geringer, daß sie in der Tat äußerst mager geworden waren. Das wußten sie alle, doch keiner von ihnen gab diesem Gedanken Ausdruck, keiner schlug vor, daß sie nun vielleicht das mörderische Tempo ein klein wenig verringern könnten. Im Gegenteil, sie verlängerten eher noch ihren Schritt und rannten noch rascher, mit noch verzweifelterer Eile durch die Dunkelheit.
    Mehr als einmal schossen Nicolson, nachdem sie den Lastwagen hatten stehen sehen, sehr deutliche Vorstellungen durch den Kopf, wie die japanischen Soldaten ihre Gefangenen behandeln mochten, während sie sie eilig vor sich her durch den Dschungel trieben. Im Geiste sah er Gewehrkolben, vielleicht sogar Bajonette, die erbarmungslos den alten verwundeten Kapitän vorwärtsstießen, der vor Erschöpfung taumelte, und Gudrun, auch sie stolpernd und schwankend in der Dunkelheit, grausam behindert durch das lähmende Gewicht des Kleinen, den sie auf dem Arm trug – schon nach einer halben Meile konnte ein Kind von zweieinhalb Jahren eine kaum noch zu tragende Last werden. Oder vielleicht hatte sie auch den kleinen Peter fallen lassen, vielleicht hatten sie in der Eile den Jungen zurückgelassen, ihn ausgesetzt am Rande des Dschungels, ihn dem sicheren Tod preisgegeben.
    Es war kalt geworden, die Sterne waren verschwunden, und es begann zu regnen, als sie endlich den Stadtrand von Bantuk erreichten. Bantuk war eine typisch javanische Küstenstadt, nicht übermäßig groß, aber auch nicht gerade klein, seltsam gemischt aus Altem und Neuem, aus Indonesischem von vor hundert Jahren, und Holländischem, tausend Meilen weit von hier entfernt. Unten am Strand standen, dem schwingenden Bogen der Bucht folgend, die sonderbaren, windschiefen Fischerhütten, und ein Stück weiter unten am Strand zog sich eine Mole im Bogen weit hinaus in die Bucht. In ihrem Schutz lagen Barkassen und Fischerboote, Prahus und Doppelauslegerkanus, die zu groß waren, als daß die Fischer sie auf den Strand ziehen konnten. Hinter den Fischerhütten lagen parallel zum Strand zwei oder drei unregelmäßige Reihen strohgedeckter Holzhäuser, von der Form, wie man sie auch in den Ortschaften im Innern fand; dahinter begann das Laden- und Geschäftsviertel, das überleitete zu den Häusern des Villenviertels, das sich in das sanfte Tal im Hintergrund der Stadt erstreckte – ein typisch holländischer Villenvorort, vielleicht nicht mit den breiten, begrünten Boulevards, wie man sie in Batavia oder Medan sah, doch mit schmucken, kleinen Bungalows und den sonderbaren Villen im Kolonialstil, alle umgeben von wunderschönen, gepflegten Gärten.
    Zu diesem Teil der Stadt führte Telak jetzt seine beiden Gefährten. Sie rannten in unvermindertem Tempo durch die dunklen Straßen der Stadtmitte, ohne irgendeinen Versuch zu machen, unbemerkt zu bleiben. Dafür war jetzt keine Zeit mehr. Nur wenige Menschen sahen sie, denn in den regennassen Straßen waren kaum Leute unterwegs. Nicolson dachte zunächst, daß die Japaner offenbar eine Sperrstunde verhängt hatten, sah dann aber bald, daß es sich nicht so verhielt, denn da und dort waren noch Kaffeestuben geöffnet, deren Inhaber, Chinesen in weißen Kitteln, unter den Markisen des Eingangs standen und ihnen, als sie vorbeiliefen, schweigend und

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