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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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knisternden Prasseln der Flammen.
    Nicolson achtete nicht auf ihn, riß das Hemd auseinander und zuckte entsetzt zusammen bei dem Anblick, der sich ihm bot. Wenn van Effen mit dem Leben davonkommen sollte, dann mußte er verbunden werden, und zwar sofort. Er riß sich sein eigenes versengtes und zerfetztes Hemd vom Leib, zerriß es in viereckige Stücke, die er mehrfach zusammenlegte und als Polster auf die Wunden legte, während sein Blick hinaufwanderte zu dem bleichen, eingefallenen Gesicht des Deutschen. Um van Effens Mund zuckte es, als wollten die Lippen sich zu einem Lächeln verziehen, möglicherweise zu einem grimmigen Lächeln. Doch das war schwer festzustellen, ohne den Ausdruck seiner Augen zu erkennen, und es war nicht mehr möglich, von diesen Augen noch irgend etwas abzulesen, da sie bereits glasig verschleiert waren durch die nahende Ohnmacht.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt – verschwenden Sie nicht Ihre Zeit«, flüsterte er. »Die Barkasse – Kisekis Barkasse. Sie hat Funk an Bord. Vermutlich ein weitreichendes Sendegerät – Sie haben gehört, was Yamata sagte – Walters kann einen Funkspruch durchgeben.« Seine flüsternde Stimme war dringend, mahnend. »Die Barkasse, Mister Nicolson, sofort.« Seine Hände ließen Nicolsons Handgelenke los und fielen schlaff nach unten und blieben, mit geöffneten Handflächen nach oben, auf der festgestampften Erde des Kampongs liegen.
    »Warum haben Sie das getan, van Effen?« Nicolson starrte nach unten in das Gesicht des schwerverwundeten Mannes und schüttelte langsam und verwundert den Kopf. »Warum um alles in der Welt haben Sie das getan?«
    »Das mag der Himmel wissen. Aber vielleicht weiß ich es selbst auch.« Er atmete jetzt sehr rasch, in sehr flachen Zügen, und bekam jeweils nur ein paar keuchende Worte zwischen zwei Atemzügen heraus. »Totaler Krieg ist totaler Krieg, Mister Nicolson, aber das hier ist eine Sache für Barbaren.« Er hob mühsam eine Hand und deutete schwach auf die brennende Versammlungshütte. »Wenn irgendeiner meiner Landsleute heute abend hier gewesen wäre, er hätte genauso gehandelt wie ich. Wir sind Menschen, Mister Nicolson, Menschen wie andere auch.« Er hob eine schlaffe Hand, zog das aufgeknöpfte Hemd zur Seite und lächelte. »Wenn man uns schneidet, bluten wir nicht?« Auf seine Lippen traten blutige Blasen, er begann keuchend zu husten in einem Anfall, der seine Bauchmuskeln sich krampfhaft zusammenziehen ließ, daß sein Kopf und seine Schultern sich vom Boden hochhoben. Dann sank er wieder zurück, so lautlos und still, daß Nicolson sich rasch über ihn beugte in der plötzlichen Gewißheit, der Mann sei tot. Doch van Effen machte noch einmal die Augen auf, hob langsam und mit unendlicher Anstrengung die Lider, wie einer, der ein schweres Gewicht hochhebt, und sah Nicolson aus verschleierten Augen lächelnd an.
    »Wir Deutschen sterben nicht so leicht. Mein Ende ist noch nicht gekommen.« Er brach ab, machte eine lange Pause, und fuhr dann flüsternd fort: »Wer einen Krieg gewinnen will, der muß bereit sein, viel dafür zu zahlen. Das ist immer so. Manchmal aber ist der Preis zu hoch, und es lohnt sich nicht, für das, was man gewinnt, so viel zu zahlen. Heute abend war der geforderte Preis viel zu hoch. Ich – ich konnte diesen Preis nicht zahlen.« Vom Dach des Versammlungshauses stieg eine riesige Flamme hoch in den Himmel, ihr Widerschein übergoß sein Gesicht mit einem grellen, roten Licht, dann erstarb die Flamme, sein Gesicht war wieder bleich und regungslos, und er murmelte irgend etwas von Kiseki.
    »Was ist?« Nicolson hatte sich so tief zu ihm hinuntergebeugt, daß ihre Gesichter sich beinah berührten. »Was haben Sie eben gesagt?«
    »Oberst Kiseki.« Van Effens Stimme klang wie aus sehr weiter Ferne. Er versuchte von neuem, zu lächeln, doch das Lächeln war nur ein schwaches Zucken seiner Unterlippe. »Mir scheint, wir haben irgend etwas gemeinsam. Ich glaube –« Seine Stimme wurde unhörbar, doch dann kam sie noch einmal, sehr deutlich: »Ich glaube, wir haben beide eine Schwäche für kleine Kinder.«
    Nicolson starrte ihn an, dann drehte er den Kopf herum, als ein laut widerhallendes, berstendes Krachen das Kampong erfüllte und eine Flammenwand sich zum Himmel hob, so hell, daß das kleine Dorf bis in die entfernteste Ecke strahlend illuminiert war. Das Versammlungshaus, dessen letzte stützende Balken niedergebrannt waren, war zusammengestürzt und brannte noch heftiger als

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