Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
Vom Netzwerk:
sagte Nicolson nachdenklich. »Ich möchte wissen –«
    »Die hat er wahrscheinlich ausgetrunken, ohne auch nur einmal abzusetzen. Er schleppt einen großen, schweren Koffer mit sich herum, und meiner Meinung nach ist dieser Koffer bis oben voll mit Whiskyflaschen.«
    »Und der Rest?«
    »Wie? Ach ja! Die kleine alte Dame ist in Walters Kabine – er hat sich eine Matratze in seine Funkbude genommen. Die ältere Krankenschwester, die die Vorgesetzte zu sein scheint –«
    »Miss Drachmann?«
    »Ja, die. Sie und das Kind sind in der Lehrlingskabine. Und Vannier und der Fünfte Ingenieur sind zusammengerückt mit Barrett und dem Vierten Ingenieur – zwei Schwestern in Vanniers Kabine und die letzte schließlich in der Kabine vom Fünften.«
    »Also alle versorgt und aufgehoben.« Nicolson seufzte, brannte sich eine Zigarette an und sah dem aufsteigenden Rauch nach. »Ich hoffe nur, daß sie nicht aus dem Regen in die Traufe gekommen sind. Werden wir es noch einmal mit der Carimata-Straße versuchen, Sir?«
    »Warum nicht? Wo sollten wir denn sonst –« Er brach ab, als Nicolson nach dem läutenden Telefon griff und sich den Hörer ans Ohr hielt.
    »Ja, Kabine des Kapitäns … Ach, Sie sind's, Willy … Ja, er ist hier – bleiben Sie einen Augenblick am Apparat.« Nicolson stand auf und machte seinen Platz für den Kapitän frei. »Der Zweite Ingenieur, Sir.«
    Findhorn sprach ungefähr eine halbe Minute lang, wobei er sich vorwiegend auf einsilbige Grunzlaute beschränkte. Nicolson fragte sich, was für ein Anliegen Willoughby wohl haben mochte. Seine Stimme hatte beinah gelangweilt geklungen; aber es hatte noch niemand erlebt, daß Willoughby sich jemals über irgend etwas aufgeregt hätte. Er war ein verträumter Sonderling, ein altes verschrobenes Huhn – der Älteste an Bord – mit einem leidenschaftlichen Interesse für Literatur, dem an Intensität nur die abgrundtiefe Verachtung gleichkam, die er für Schiffsmaschinen empfand und für die Tätigkeit, mit der er sich seinen Lebensunterhalt verdiente. Dabei war er die ehrlichste Haut und der uneigennützigste Mensch, den Nicolson in seinem ganzen Leben kennengelernt hatte.
    Willoughby war nicht stolz darauf, und vermutlich war er sich dessen auch gar nicht bewußt: er war ein Mann, der wenig besaß und nichts begehrte. Nicolson hatte kaum etwas mit ihm gemein, äußerlich gesehen jedenfalls nicht; doch er empfand für den alten Ingenieur – möglicherweise, weil Gegensätze sich anziehen – die größte Zuneigung und Hochachtung. Willoughby, der Junggeselle war und nur über einen kümmerlichen Wohn-Schlafraum im Club der Reederei in Singapur verfügte, hatte so manchen Abend in seinem Haus verbracht. Caroline, mußte er denken, hatte mächtig viel für Willy übrig gehabt und stets dafür gesorgt, daß es etwas besonders Gutes zu essen und zu trinken gab, wenn der Ingenieur zu Besuch kam. Nicolson starrte in sein Glas, der Erinnerung nachhängend, und um seinen Mund zuckte es bitter … Plötzlich bemerkte er, daß Kapitän Findhorn vor ihm stand und ihn aufmerksam ansah.
    »Was ist mit Ihnen los, Jonny?«
    »Ich habe in Gedanken einen kleinen Spaziergang gemacht, Sir.« Nicolson zeigte lächelnd auf die Whiskyflasche. »Das da ist eine sehr brauchbare Hilfe, wenn man eine nachdenkliche Runde drehen will.«
    »Bedienen Sie sich – drehen Sie noch eine Runde.« Findhorn nahm seine Mütze und wandte sich zur Tür. »Bitte, warten Sie hier auf mich, ja? Ich muß eben mal nach unten.«
    Zwei Minuten, nachdem der Kapitän gegangen war, schellte das Telefon erneut. Am Apparat war Findhorn, der Nicolson bat, in die Messe zu kommen. Warum, sagte er nicht. Auf dem Weg nach unten begegnete Nicolson dem Vierten Offizier, der gerade aus der Kabine des Funkers herauskam. Vannier machte keinen sehr glücklichen Eindruck. Nicolson sah ihn fragend an, und Vannier warf über die Schulter einen Blick zu der Tür der Kabine hin, wobei auf seinem Gesicht Entrüstung und Respekt seltsam miteinander stritten.
    »Die alte Säge da drin hat mir die Hölle heiß gemacht, Sir«, sagte er leise.
    »Wer?«
    »Miss Plenderleith«, erklärte Vannier. »Sie ist in Walters Kabine. Ich war eben am Einschlafen, als sie anfing, gegen das Schott zwischen unseren Kabinen zu hämmern, und als ich nicht darauf reagierte, kam sie heraus auf den Gang und fing an, laut zu rufen.« Vannier machte eine Pause und setzte dann hinzu: »Sie hat eine sehr laute Stimme, Sir.«
    »Was

Weitere Kostenlose Bücher