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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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»Schwindeln Sie uns da nicht irgend etwas vor, Mister van Effen? Eine dumme Frage, ich weiß – ob Sie nun schwindeln oder nicht, Sie würden in jedem Falle behaupten, die Wahrheit zu sagen.«
    »Er sagt die Wahrheit, Kapitän Findhorn.« Aus Farnholmes Stimme, die in diesem Augenblick ganz anders klang als sonst, sprach eine seltsame Sicherheit. »Davon bin ich absolut überzeugt.«
    »Ach, wirklich?« sagte Findhorn und sah ihn an. »Und was macht Sie so sicher, Brigadier?«
    Farnholme machte eine einlenkende Handbewegung, wie jemand, der findet, man habe seine Worte ernster genommen, als sie gemeint gewesen waren. »Na, schließlich kenne ich van Effen länger als alle anderen hier. Und außerdem muß die Geschichte, die er erzählt, einfach wahr sein: wäre sie es nicht, so wäre er jetzt nicht hier. Klingt ein bißchen paradox, meine Herren, doch vielleicht verstehen Sie, wie ich es meine?«
    Findhorn nickte nachdenklich, sagte aber nichts. In der Messe entstand ein längeres Schweigen, durch nichts unterbrochen als durch das entfernte Stampfen, wenn der Bug krachend in ein Wellental schlug, durch die undefinierbaren knarrenden Geräusche, die ein Schiff macht, das sich durch grobe See arbeitet, und durch das unruhige Scharren der Füße der Mannschaft der Kerry Dancer. Dann sah Findhorn auf seine Uhr.
    »Ich schlage vor, Mister Nicolson, wir beide begeben uns auf die Brücke; ich habe das Gefühl, daß jetzt wieder die dicken Brocken kommen. Und für Kapitän Siran und seine Crew: eine bewaffnete Wache für den Rest der Nacht, denke ich.« Findhorns Augen waren so ausdruckslos und kalt wie seine Stimme. »Aber da ist eine Kleinigkeit, die ich gern noch vorher geklärt hätte.«
    Er ging, das heftige Schlingern des Schiffes elastisch ausbalancierend, ohne jede Hast auf die Crew der Kerry Dancer zu und blieb stehen, als van Effen die Hand ausstreckte.
    »Ich würde mich an Ihrer Stelle lieber vorsehen«, sagte der Holländer ruhig. »Jeder zweite von den Burschen hat mehr als ein Messer bei sich, und sie sind rasch damit bei der Hand.«
    »Sie haben eine Schußwaffe.« Findhorn streckte die Hand aus und nahm die Pistole, die van Effen in seinen Gürtel gesteckt hatte. »Sie gestatten?« Er warf einen Blick auf die Waffe und stellte fest, daß sie gesichert war. »Ein Colt, Kaliber neunkommaacht.«
    »Sie scheinen etwas von Pistolen zu verstehen.«
    »Ein wenig.« Findhorn ging hinüber zu dem vordersten Mann der Gruppe in der Ecke. Er war ein großer, breitschultriger Bursche, mit einem braunen, glatten, ausdruckslosen Gesicht; er hatte einen schmalen Schnurrbart, lange schwarze Koteletten und schwarze, gleichgültige Augen. »Sie sind Siran?« fragte Findhorn beiläufig.
    »Kapitän Siran, jawohl.« Die Unverschämtheit lag in der leichten Betonung des Wortes ›Kapitän‹ und in der kaum sichtbaren Neigung des Kopfes. Das Gesicht blieb völlig ausdruckslos.
    »Formalitäten langweilen mich.« Findhorn betrachtete ihn mit plötzlichem Interesse. »Sie sind Engländer, nicht wahr?«
    »Vielleicht.« Diesmal verzogen sich die Lippen, weniger zu einem Lächeln als vielmehr zu einer meisterhaft ausgeführten Geste lässiger Geringschätzung. »Oder vielleicht könnten wir uns einigen auf Angelsachse?«
    »Unwichtig. Sie sind der Kapitän – waren der Kapitän – der Kerry Dancer. Sie haben Ihr Schiff verlassen – und Sie haben all die Menschen im Stich gelassen, die an Bord blieben. Sie haben sie sterben lassen, eingesperrt hinter stählernen Türen. Vielleicht sind sie ertrunken, vielleicht waren sie schon vorher verbrannt – das spielt jetzt keine Rolle mehr. Sie haben diese Menschen jedenfalls umkommen lassen.«
    »Was für pathetische Worte!« Siran klopfte sich lässig gegen den Mund, um ein gelangweiltes Gähnen zu verbergen – eine Glanzleistung müder Frechheit. »Sie vergessen die Tradition der See. Wir haben für diese Unglücklichen alles getan, was in unserer Macht stand.«
    Findhorn nickte bedächtig und musterte dann Sirans sechs Spießgesellen. Sie machten alle keinen sonderlich glücklichen Eindruck, einer aber – ein Mann mit einem schmalen Gesicht, dessen eines Auge einen blinden Schimmer hatte – schien besonders nervös und ängstlich. Er trat dauernd von einem Bein aufs andere, und seine Hände und Finger schienen sich selbständig gemacht zu haben. Findhorn ging zu ihm hin.
    »Sprechen Sie Englisch?«
    Der Mann antwortete nicht, runzelte nur die Augenbrauen, zog die Schultern

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