Die Überlebenden der Kerry Dancer
holen muß, aber ich brauche jemanden, der gut morsen kann. Haben Sie das Blinksignal eben gesehen?«
»Jawohl, Sir. Jemand in Not, nehme ich an.«
»Hoffentlich«, sagte Findhorn grimmig. »Holen Sie unsere Blinklampe und fragen Sie an, wer es ist.« Die Windschutztür ging auf, und Findhorn sah sich um. »Sind Sie das, Nicolson?«
»Ja, Sir. Wir sind bereit, soweit uns das möglich ist. Alle Mann liegen mit ihren Schußwaffen im Anschlag, und alle sind nach den letzten Tagen so verdammt reizbar, daß ich nur die eine Sorge habe, es könnte vielleicht einer zu früh schießen. Außerdem habe ich dem Bootsmann gesagt, er möchte an Steuerbordseite, auf Tank Nummer drei, ein paar Tiefstrahler installieren, und von zwei oder drei Matrosen, soweit wir sie nicht an den Waffen brauchen, ein Kletternetz außenbords bringen lassen.«
»Danke, Mister Nicolson. Sie denken immer an alles. Und wie steht es mit dem Wetter?«
»Naß«, sagte Nicolson unfroh. Er hörte auf das Klicken der Morselampe und beobachtete den weißen Lichtstrahl, der sich seinen Weg durch den strömenden Regen bahnte. »Naß und stürmisch – aus welcher Ecke es uns erwischen wird, das ahne ich nicht. Mir scheint, das kluge Buch über Taifune ist in dieser Gegend ungefähr so viel wert wie ein Streichholz in der Hölle.«
»Sie sind nicht der einzige, der ratlos ist«, gestand Findhorn. »Wir befinden uns jetzt schon seit einer Stunde und fünfzehn Minuten im Zentrum des Sturms. Ich war einmal, vor ungefähr zehn Jahren, fünfundzwanzig Minuten lang in so einem Zentrum, und ich dachte, das sei ein Rekord gewesen.« Er schüttelte den Kopf, daß die Regentropfen spritzten. »Es ist völlig verrückt. Für einen richtigen Taifun sind wir sechs Monate zu früh oder zu spät dran. Dafür ist das hier ja auch nicht schlimm genug, dieser Sturm ist ja kein Bursche mit Windstärke zwölf. Aber er ist völlig unfahrplanmäßig, und in diesen Gewässern hier zu jeder Jahreszeit ein glattes Unding, und das scheint die Regeln des Buches über den Haufen zu schmeißen. Ich bin sicher, daß der Sturm in ganz kurzer Zeit erneut losbricht, und ich bin so gut wie sicher, daß er aus nordöstlicher Richtung losbrechen wird. Aber ob wir uns im gefährlichen Quadranten befinden oder –« Er brach plötzlich ab und starrte zu dem kleinen, gelblichen Pünktchen hin, das undeutlich durch den strömenden Regen blinkte. »Erzählt irgend was vom Sinken. Und was sagt er sonst noch?«
»Van Effen, sinkend. Das ist alles, Sir – jedenfalls denke ich, daß das alles war. Die Morsezeichen waren ziemlich undeutlich.«
»Mein Gott, heute nacht bin ich aber wirklich vom Glück verfolgt.« Findhorn schüttelte erneut den Kopf. »Eine zweite Kerry Dancer – die Van Effen. Wer hat schon jemals etwas von einem Schiff namens Van Effen gehört? Sie vielleicht, Mister Nicolson?«
»Nein, noch nie.« Nicolson drehte sich um und rief durch die Tür hinein: »Sind Sie da, Zweiter?«
»Sir?« antwortete eine Stimme aus der Dunkelheit, nur einige Meter entfernt.
»Schlagen Sie im Register nach, schnell. Die Van Effen. Zwei Worte, holländisch. So schnell Sie können.«
»Van Effen? Hörte ich recht, daß hier jemand van Effen sagte?« Das Organ war unverkennbar, doch die Stimme hatte diesmal einen erregten Klang. Aus der Dunkelheit hinter dem Ruderhaus löste sich Farnholmes umfänglicher Schatten.
»Ja, das stimmt. Kennen Sie ein Schiff mit diesem Namen?«
»Das ist kein Schiff, Mann – das ist ein Freund von mir, van Effen, ein Holländer. Er war auf der Kerry Dancer – ging gemeinsam mit mir in Banjarmasin an Bord. Er muß mit dem Rettungsboot losgefahren sein, nachdem das Schiff in Brand geraten war – die Kerry Dancer hatte, soweit ich mich erinnern kann, nur ein einziges Rettungsboot.« Farnholme war inzwischen vorn auf der Brücke angelangt und starrte aufgeregt über die Verkleidung in die Dunkelheit, ohne sich um den Regen zu kümmern, der sich auf seinen ungeschützten Rücken ergoß. »Fischen Sie ihn auf, Mann, fischen Sie ihn auf!«
»Woher sollen wir wissen, daß es keine Falle ist?« Nach Farnholmes ungeduldiger Vehemenz kam die ruhige, nüchterne Stimme des Kapitäns wie eine kalte Dusche. »Vielleicht ist es dieser van Effen, und vielleicht ist er es auch nicht. Und selbst wenn er es sein sollte, wie sollen wir denn wissen, daß wir ihm trauen können?«
»Wie Sie das wissen sollen?« Farnholme sprach wie einer, der sich mit Mühe beherrscht. »Hören
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