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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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haben diese üblen Brüder ihr Gesicht zugerichtet.« Seine Augen sahen Nicolson scharf an. »Wieviel war eigentlich wahr von dem, was Sie ihr gestern abend erzählten?«
    »Sie meinen, was die Chirurgen für sie tun könnten?«
    »Ja.«
    »Nicht viel. So genau weiß ich auch nicht Bescheid, aber ehe etwas geschehen kann, wird diese Narbe längst verwachsen sein. Ein bißchen was ist natürlich immer noch zu machen – aber Wunder können diese Chirurgen nicht vollbringen; das behaupten sie auch gar nicht.«
    »Ja zum Teufel, Mann, dann hatten Sie aber kein Recht dazu, dem Mädchen das einzureden.« Findhorn war so nahe daran, zornig zu werden, wie das bei seinem phlegmatischen Temperament möglich war. »Du lieber Gott, bedenken Sie doch, was für eine Enttäuschung das gibt!«
    »Iß, trink und sei guter Dinge!« sagte Nicolson. »Glauben Sie denn im Ernst, daß wir England jemals wiedersehen, Sir?«
    Findhorn sah ihn lange an, die buschigen Augenbrauen zusammengezogen, dann nickte er langsam und sah beiseite. »Komisch, daß man immer noch so reagiert, als wäre Frieden und alles normal«, sagte er leise. »Tut mir leid, Jonny, seien Sie mir nicht böse. Und doch habe ich die ganze Zeit, seit die Sonne aufging, an nichts anderes gedacht. An den kleinen Peter, die Schwestern und an alle anderen – hauptsächlich aber an das Kind und dieses Mädchen. Wieso, weiß ich auch nicht.« Er schwieg eine Weile, während seine Augen den wolkenlosen Horizont absuchten, und fuhr dann unvermittelt fort: »Ein wunderschöner Tag heute.«
    »Ein wunderschöner Tag, um zu sterben«, sagte Nicolson düster. Dann erhaschte er einen Blick des Kapitäns und lächelte. »Die Zeit wird lang, wenn man wartet. Aber die Japaner sind höfliche Leute – sie brauchen nur Miss Drachmann zu fragen. Ich denke nicht, daß sie uns noch lange warten lassen.«
    Doch die Japaner ließen sie warten. Sie ließen sie lange warten, sehr lange. Wenn Menschen, verzweifelnde Menschen, von Augenblick zu Augenblick auf das Eintreten des Unvermeidlichen warten, dann verlieren Sekunden, Minuten und Stunden jede Bedeutung als absolutes Zeitmaß. Dann hängt ihre Dauer einzig und allein von der gespannten Erwartung ab, vom immerwährenden Vorgefühl dessen, was unausweichlich kommen muß. Und so krochen die Sekunden und wurden zu Minuten, und die Minuten dehnten sich endlos in die Länge, bis eine Stunde daraus geworden war, und dann noch eine Stunde, und immer noch war der Himmel leer und die schimmernde Linie des Horizonts blieb glatt, unbewegt und ungebrochen. Warum der Feind so lange auf sich warten ließ, war für Findhorn völlig unbegreiflich – denn er war sich klar darüber, daß Hunderte von Schiffen und Flugzeugen das Meer nach ihnen absuchten. Die einzige vage Hoffnung war die Vermutung, daß sie diese Gewässer hier gestern nachmittag abgesucht hatten, nachdem die Viroma umgekehrt war, um der Kerry Dancer zu Hilfe zu kommen, und daß die Japaner jetzt dabei waren, weiter im Süden zu suchen.
    Was auch der Grund sein mochte, die Viroma war jedenfalls allein, bewegte sich noch immer schlingernd auf südöstlichem Kurs unter einem leeren Himmel. Eine weitere Stunde verging, und dann noch eine, und es war hoher Mittag. Eine stechende, brennende Sonne stand fast senkrecht über ihnen, und zum erstenmal gestattete sich Kapitän Findhorn erste zaghafte Regungen der Hoffnung: die Carimata-Straße, und dann der Schutz der Dunkelheit, und das Java-Meer – und dann durften sie vielleicht wagen, wieder an die Möglichkeit der Heimkehr zu denken. Die Sonne rollte über den Zenit hinweg, Mittag ging vorbei, und die Minuten krochen weiter, fünf Minuten, zehn, fünfzehn, zwanzig Minuten, und jede Minute dehnte sich länger und länger, da die Hoffnung sich von neuem zu regen begonnen hatte. Und dann, vierundzwanzig Minuten nach zwölf Uhr, war die Hoffnung zu Staub geworden und das lange Warten vorbei.
    Einer der Kanoniere auf dem Vorschiff hatte es zuerst gesehen: einen winzigen schwarzen Punkt in weiter Ferne am Südwesthimmel. Einige Sekunden lang schien er dort stehenzubleiben, unbeweglich, bedeutungslos; doch dann, ganz plötzlich, war er nicht mehr winzig, sondern nahm an Größe zu, war nicht mehr bedeutungslos, sondern zeichnete sich immer bestimmter ab in dem flirrenden Dunst, bis der Umriß des Rumpfes und der Flügel deutlich zu sehen war. Ein japanisches Jagdflugzeug, vermutlich ausgerüstet mit Benzintanks für Langstreckenflug. Kaum hatten

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