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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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er ganz im Gegenteil androhte, ihm Löcher in den Rücken zu schießen, und ihn dann auch noch zu erwürgen versuchte. Doch ich bin geneigt, van Effen zu glauben. Ich mag ihn.«
    »Ich glaube auch, daß er die Wahrheit sagt. Farnholme aber glaubt das nicht nur, er weiß es positiv – und als ich ihn fragte, wieso, da machte er schleunigst einen Rückzieher und brachte fadenscheinige Gründe vor, die keinen Fünfjährigen überzeugen würden.« Findhorn seufzte. »Fast ebenso kindisch und so wenig überzeugend wie die Gründe, die Miss Plenderleith vorbrachte für ihren Wunsch, mich zu sprechen.«
    »Sie sind also doch noch hingegangen?« Nicolson lächelte. »Schade, daß ich nicht dabei war.«
    »Wußten Sie denn davon?«
    »Vannier erzählte es mir. Ich mußte ihn geradezu zur Messe schleifen, um ihn dazu zu bringen, daß er Ihnen den Wunsch der alten Dame ausrichtete. Und was sagte sie?«
    »Zunächst einmal stritt sie ab, überhaupt nach mir geschickt zu haben, und dann brachte sie als Grund irgendwelchen Unsinn vor, fragte, wann wir den nächsten Hafen erreichen würden und ob sie ihrer Schwester in England ein Kabel schicken könnte, also Vorwände, die offensichtlich im Augenblick improvisiert waren. Sie macht sich über irgend etwas Sorge, und ich vermute, daß sie ursprünglich vorgehabt hatte, mir mitzuteilen, worum es sich dabei handelt, es sich dann aber anders überlegt hat.« Kapitän Findhorn zuckte die Schultern und ließ das Problem auf sich beruhen. »Wußten Sie übrigens, daß Miss Plenderleith gleichfalls aus Borneo kommt? Sie war dort die Leiterin einer Schule für Mädchen und blieb bis zur letzten Minute auf ihrem Posten.«
    »Ich weiß. Wir haben heute früh auf dem Laufsteg eine längere Unterhaltung miteinander gehabt. Dabei sagte sie dauernd ›junger Mann‹ zu mir, bis ich nicht mehr genau wußte, ob ich mich eigentlich hinter den Ohren gewaschen hatte.« Nicolson sah den Kapitän nachdenklich an. »Um Ihre Sorgen ein bißchen zu vermehren, möchte ich Ihnen noch etwas erzählen, was Sie nicht wissen. Miss Plenderleith hat heute nacht in ihrer Kabine einen Besucher empfangen, einen Mann.«
    »Was! Hat sie Ihnen das erzählt?«
    »Nein – das hat mir Walters erzählt. Er war von seiner Wache gekommen und wollte sich gerade auf seinem Sofa hinlegen, als er hörte, wie jemand an Miss Plenderleiths Tür klopfte – sehr leise, doch er hörte es; das Sofa in der Funkbude steht direkt an der Wand zu seiner Kabine. Walter sagt, er sei neugierig genug gewesen, an der Verbindungstür zu lauschen, doch die Tür war dicht, und er konnte nicht viel hören; es war jedenfalls alles sehr leise und klang wie das Geflüster von Verschwörern. Die eine der beiden Stimmen war sehr tief, ganz zweifellos eine Männerstimme. Der Besucher blieb fast zehn Minuten, dann ging er wieder.«
    »Ein mitternächtliches Stelldichein in Miss Plenderleiths Kabine!« Findhorn hatte sich noch immer nicht ganz von seinem Erstaunen erholt. »Ich hätte gedacht, sie würde sich die Lunge aus dem Halse schreien.«
    »Nein, die doch nicht!« Nicolson grinste und schüttelte entschieden den Kopf. »Sie ist eine Säule der Ehrbarkeit, zweifellos, doch sie würde jeden mitternächtlichen Besucher hereinholen, ihm mit vorgehaltenem Zeigefinger die Leviten lesen und ihn dann als geläuterten Menschen wieder fortschicken. Doch das hier war keine Standpauke, möchte ich annehmen, sondern eine heimliche Unterredung in aller Eile.«
    »Hat Walters irgendeine Ahnung, wer der Besucher war?«
    »Nicht die geringste – er hat mir nur erzählt, es sei eine Männerstimme gewesen, und er selbst sei viel zu müde und schläfrig gewesen, um sich weiter irgendwelche Gedanken darüber zu machen.«
    »Hm – vielleicht war seine Einstellung in diesem Falle die richtige.« Findhorn nahm seine Mütze ab und wischte sich mit dem Taschentuch über den Kopf; es war erst acht Uhr, doch die Sonne begann schon zu brennen. »Wir haben schließlich anderes zu tun, als uns über unsere Passagiere Gedanken zu machen. Ich werde nur einfach nicht schlau aus ihnen. Eine merkwürdige Gesellschaft – jeder, mit dem ich rede, erscheint mir noch sonderbarer als der, mit dem ich eben geredet habe.«
    »Miss Drachmann auch?« meinte Nicolson.
    »Um Himmels willen, nein! Ich würde die ganze Bande eintauschen gegen dieses Mädchen.« Findhorn setzte die Mütze wieder auf und schüttelte langsam den Kopf. »Eine schreckliche Sache, Jonny – wie grauenhaft

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