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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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Richtung, aber über ihre Köpfe hinweg, wie er vermutet hatte; tiefer konnte das Rohr nicht mehr gesenkt werden. Das leichte Flakgeschütz achtern war gleichfalls auf sie gerichtet – und es zielte mitten in ihr Boot; in diesem Punkt hatte er sich verrechnet, aber das war eben ein Risiko, das sie auf sich nehmen mußten. Über den Rand des Kommandoturms sahen drei Mann, von denen zwei bewaffnet waren – ein Offizier mit einer Pistole, und ein Matrose, der etwas in der Hand hielt, das wie eine Maschinepistole aussah –, und fünf oder sechs Matrosen standen vor dem Kommandoturm an Deck, nur einer davon bewaffnet. Als Empfangskomitee war das erschreckend genug, trotzdem weniger, als er erwartet hatte. Das Rettungsboot war in letzter Minute nach backbord abgefallen – ein Manöver, mit dem er die Absicht verfolgt hatte, daß sie bei dem U-Boot an Backbordseite längsseits gingen, wodurch sie im Halbschatten der Dunkelheit auf der Ostseite blieben, während die Japaner sich als Silhouette gegen das Abendrot der untergegangenen Sonne abhoben. Nicolson hatte schon befürchtet, daß diese plötzliche Kursänderung die Japaner außerordentlich mißtrauisch machen könnte; doch sie hatten es offenbar, wie kaum anders zu erwarten, für einen von panischer Angst eingegebenen Fluchtversuch gehalten, dessen Aussichtslosigkeit ihnen im nächsten Augenblick bereits klargeworden sei. Ein Rettungsboot stellte ohnehin für niemanden eine Bedrohung dar, und der Kommandant des U-Boots mußte der Meinung gewesen sein, daß er bereits mehr als ausreichende Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hatte zum Schutz gegen den geringen Widerstand, den sie möglicherweise leisten konnten.
    Die drei Fahrzeuge – das U-Boot und die beiden Rettungsboote – bewegten sich immer noch mit einer Fahrt von etwa zwei Knoten, als vom Deck des U-Boots eine Leine geworfen wurde und in den Bug des Rettungsboots Nummer eins fiel. Vannier griff automatisch danach und sah nach hinten zu Nicolson.
    »Ja, Vierter, dann belegen Sie mal den Tampen«, sagte Nicolson bitter und resigniert. »Was könnten wir schon mit unseren Fäusten und ein paar Taschenmessern gegen diese Übermacht ausrichten?«
    »Sehr vernünftig, außerordentlich vernünftig.« Der Offizier lehnte über den Rand des Kommandoturms; er hatte die Arme verschränkt, und der Lauf seiner Waffe lag auf seinem linken Oberarm. Sein Englisch war gut, der Ton seiner Stimme selbstgefällig, und sein weißes Gebiß glänzte in der dunklen Fläche des Gesichtes. »Jeder Versuch zum Widerstand wäre für uns alle unangenehm, meinen Sie nicht?«
    »Scheren Sie sich zum Teufel!« brummte Nicolson.
    »Aber, aber! Welcher Mangel an Höflichkeit – der typische Angelsachse.« Der Offizier schüttelte bekümmert den Kopf und amüsierte sich offenbar königlich. Doch dann richtete er sich plötzlich auf und fixierte Nicolson über den Lauf seiner Pistole. »Nehmen Sie sich in acht!« Seine Stimme war wie das Knallen einer Peitsche.
    Ohne jede Hast vollendete Nicolson die Bewegung, die er angefangen hatte: er entnahm dem Päckchen, das Willoughby ihm hinhielt, langsam eine Zigarette, riß ebenso langsam ein Streichholz an, hielt es Willoughby hin, brannte seine eigene Zigarette an und warf dann das Streichholz über Bord.
    »Ach so! Natürlich!« Der Offizier lachte kurz und verächtlich. »Der stoische Engländer! Obwohl ihm die Zähne klappern vor Angst, muß er immer noch Haltung zeigen – zumal vor den Augen seiner Mannschaft. Und da noch einer!« Vorn, im Bug des Rettungsbootes, wurde das gesenkte Gesicht von Vannier, der eine Zigarette zwischen den Lippen hielt, hell beleuchtet von dem brennenden Streichholz in seiner Hand. »Bei allen Göttern, das ist ergreifend, wirklich ergreifend.« Der Ton seiner Stimme änderte sich abrupt. »Jetzt aber genug mit diesem – Unfug. Augenblicklich an Bord – alle Mann!« Er stieß die Pistole auf Nicolson zu. »Sie zuerst.«
    Nicolson stand auf, stützte sich mit dem einen Arm gegen den Rumpf des U-Boots und hielt den andern fest an die Seite gepreßt.
    »Was zum Teufel haben Sie eigentlich mit uns vor?« rief er laut, fast schreiend, mit einem sehr glaubwürdig klingenden Beben in seiner Stimme. »Wollen Sie uns alle umbringen? Uns foltern? Uns in eins von diesen verdammten Gefangenenlagern in Japan schleppen?« Er schrie es, sein Schreien war jetzt Ernst, und in seiner Stimme war Furcht und Erbitterung: Vannier hatte sein Streichholz nicht über Bord geworfen,

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