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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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und das zischende Geräusch vorn im Bug war lauter, als er gedacht hatte. »Warum in Gottes Namen erschießen Sie uns nicht gleich, statt uns erst –«
    Aus dem leisen Zischen vorn im Bug des Rettungsbootes wurde plötzlich und unvermittelt ein lautes, wütendes Fauchen, eine doppelte Leuchtspur stieg funkensprühend und rauchend in den dunkelnden Himmel, erhob sich in einem Winkel von etwa sechzig Grad über dem Deck des U-Boots, und dann erstrahlten mehr als hundert Meter über dem Wasser zwei weißglühende Flammenbälle, als die Fallschirm-Leuchtkugeln der beiden Notraketen des Rettungsbootes fast im gleichen Augenblick zündeten. Es war menschlich, dem unwillkürlichen und unwiderstehlichen Impuls nachzugeben und nach den beiden Raketen zu sehen, die hoch oben am Himmel leuchtend explodierten. Auch die Besatzung des japanischen U-Boots bestand aus Menschen. Wie ein Mann, gleich Puppen in den Händen eines Puppenspielers, drehten sie die Köpfe nach oben, und bis zum letzten Mann starben sie in dieser Stellung, den Rücken halb zu dem Rettungsboot gewandt und den Kopf in den Nacken gelegt, während sie in den Himmel starrten.
    Das Krachen der Gewehre und der Pistolen erstarb, das Echo der Schüsse hallte über die glasige See und verstummte in der Ferne. Nicolson gab mit lauter Stimme das Kommando, sich im Boot hinzulegen. Noch während er es rief, rollten zwei tote Matrosen von dem schrägen Deck des U-Boots herunter und fielen krachend hinten in das Heck des Rettungsboots. Der eine drückte mit seinem Gewicht Nicolson flach gegen die Bootswand, der andere rollte, mit den leblosen Armen und Beinen wie mit Dreschflegeln um sich schlagend, geradewegs auf den kleinen Peter und die zwei Schwestern zu. Doch McKinnon war schneller: das zweimalige Aufklatschen auf das Wasser klang fast wie ein einziger Ton.
    Eine Sekunde verging, zwei Sekunden, drei Sekunden. Nicolson kniete im Boot und starrte nach oben, die Hände zu Fäusten geballt, während er in fieberhafter Spannung wartete. Er hörte das Scharren eiliger Füße und hastiges, heftiges Stimmengemurmel hinter dem Schutzschild der Kanone. Eine weitere Sekunde verging, und noch eine. Sein Blick wanderte das Deck des U-Boots entlang, ob da vielleicht noch jemand am Leben war, darauf erpicht, ehrenvoll für seinen Kaiser zu sterben – Nicolson machte sich keinerlei Illusionen über den fanatischen Mut der Japaner. Doch alles war still, still wie der Tod. Der Offizier hing schlaff über den Rand des Kommandoturms, seine baumelnde Hand hielt noch immer krampfhaft die Waffe fest – ein Schuß aus Nicolsons Pistole hatte ihn erwischt; die beiden anderen waren in den Turm hineingefallen. Vor dem Kommandoturm lagen vier formlose Bündel in groteskem Durcheinander an Deck. Von den zwei Matrosen, die das leichte Flakgeschütz achtern bedient hatten, war nichts zu sehen: Farnholmes Schnellfeuergewehr hatte sie über Bord geblasen.
    Die Spannung wurde unerträglich. Das Rohr des schweren Geschützes, das wußte Nicolson, ließ sich nicht weit genug senken, um das Boot zu erreichen; doch er erinnerte sich undeutlich an Geschichten, die ihm Marineoffiziere über die Wirkung einer Schiffskanone erzählt hatten, die unmittelbar über einem abgefeuert wurde: der Luftdruck riß einem fast den Kopf ab. Möglicherweise war die Erschütterung für den, der sich unmittelbar darunter befand, tödlich – das konnte man nicht wissen. Er verfluchte sich plötzlich ob seiner eigenen Stupidität und drehte sich rasch zu Willoughby herum.
    »Starten Sie den Motor. Und dann wenden Sie – so schnell wie möglich. Wir sind durch den Kommandoturm gegen diese Kanone da gedeckt, wenn wir –«
    Seine Worte vergingen im Dröhnen des Abschusses. Es war eigentlich kein Dröhnen, sondern ein kurzer, heftiger Knall, der wie ein Messer gegen das Trommelfell stach und in seiner Intensität fast betäubend war. Aus der Mündung des Rohres zuckte bösartig eine lange, rote Flamme hervor, fast bis herunter zu dem Rettungsboot. Die Granate schlug ins Meer, wirbelte einen dünnen Vorhang aus Gischt auf und ließ einen dichten Wasserstrahl aufsteigen, der fünfzehn Meter hoch in den Himmel stieg. Dann war das Echo verhallt, der Rauch hatte sich verzogen, und Nicolson, der seinen Kopf hin und her schüttelte, um die Betäubung loszuwerden, begriff, daß sie noch lebten, und daß die Japaner mit wütendem Eifer dabei waren, erneut zu laden; und da wußte er, daß der Augenblick gekommen

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