Die Überlebenden der Kerry Dancer
schimmerte, setzte das Glas ab, rieb sich die Augen und sah nochmals hin. Nach einigen Sekunden reichte er das Glas schweigend und mit ausdruckslosem Gesicht dem Kapitän. Findhorn nahm es, sah eine Weile hindurch und gab es Nicolson zurück. »Sieht nicht so aus, als ob wir das Glück auf unserer Seite hätten, wie? Teilen Sie es den anderen mit, bitte. Wenn ich versuche, mich bei dem Lärm dieses verdammten Motors verständlich zu machen, dann habe ich das Gefühl, es würde mir ein Bündel Angelhaken die Kehle raufgezogen.«
Nicolson nickte und wandte sich um.
»Tut mir leid für Sie alle, aber ich fürchte, da kommt ein weiterer Ärger auf uns zu. Es ist ein japanisches U-Boot, und es kommt mit einer Geschwindigkeit näher, als ob wir überhaupt keine Fahrt machten. Wäre es eine Viertelstunde später aufgetaucht, dann hätten wir es vielleicht bis zu der Insel dort geschafft.« Er deutete nach steuerbord voraus. »So aber wird es uns eingeholt haben, noch ehe wir halbwegs dort sind.«
»Und was glauben Sie, Mister Nicolson, wird dann geschehen?« Miss Plenderleith sprach mit soviel Beherrschung, daß ihre Stimme fast gleichgültig klang.
»Kapitän Findhorn vermutet – und ich stimme darin mit ihm überein –, daß man versuchen wird, uns gefangenzunehmen.« Auf Nicolsons Gesicht erschien ein etwas verkrampftes Lächeln. »Ich kann im Augenblick nur soviel sagen, Miss Plenderleith, daß wir versuchen werden, uns nicht gefangennehmen zu lassen. Aber das wird nicht einfach sein.«
»Das wird unmöglich sein«, sagte van Effen, der vorn im Bug saß, und seine Stimme klang kalt. »Das ist ein U-Boot, Mann. Was wollen wir mit unseren Spielzeuggewehren gegen ein U-Boot ausrichten!«
»Sie würden also vorschlagen, daß wir uns ergeben?« Nicolson erkannte die Logik dessen, was van Effen sagte, und er wußte auch, daß diesem Mann die Furcht fremd war – und dennoch hatte er ein heimliches Gefühl der Enttäuschung.
»Weshalb sollten wir glatten Selbstmord begehen – und was Sie vorschlagen, würde nichts anderes bedeuten.« Van Effen schlug mit dem Ballen seiner Faust sacht gegen den Dollbord, um die Richtigkeit seines Arguments zu unterstreichen. »Es wird sich uns später bestimmt eine bessere Chance bieten zu fliehen.«
»Sie kennen offenbar die Japaner nicht«, sagte Nicolson. »Dies ist nicht nur die beste Chance, die uns jemals geboten wird – es ist auch unsere letzte.«
»Und ich sage Ihnen, daß Sie Unsinn reden!« Jede Linie in van Effens Gesicht drückte Feindschaft aus. »Ich schlage vor, Mister Nicolson, daß wir darüber abstimmen.« Er sah sich im Boot um. »Wer von Ihnen ist dafür –«
»Schweigen Sie, und reden Sie kein dummes Zeug!« sagte Nicolson barsch. »Sie sind hier nicht in einer politischen Versammlung, van Effen. Sie befinden sich hier an Bord eines Fahrzeuges der britischen Handelsmarine, und derartige Fahrzeuge unterstehen nicht der Leitung eines Komitees, sondern der Autorität eines einzigen Mannes – des Kapitäns. Kapitän Findhorn sagt, daß wir Widerstand leisten – und damit basta.«
»Der Entschluß des Kapitäns steht also fest?«
»Allerdings.«
»Bitte um Entschuldigung.« Van Effen neigte den Kopf. »Ich beuge mich der Autorität des Kapitäns.«
»Danke.« Nicolson, der immer noch ein leichtes Unbehagen verspürte, wandte seinen Blick von van Effen ab und richtete ihn auf das U-Boot. Es war nur noch knapp eine Meile entfernt und in allen Einzelheiten deutlich erkennbar. Das Wasserflugzeug kreiste immer noch am Himmel. Nicolson sah es und zog die Stirn in Falten.
»Wenn dieser verdammte Schnüffler doch endlich nach Hause gehen wollte«, brummte er.
»Ja«, sagte Findhorn, »er macht alles noch sehr viel komplizierter. Die Zeit geht auf die Neige, Jonny. In fünf Minuten hat uns das U-Boot eingeholt.«
Nicolson nickte geistesabwesend. »Haben wir diesen U-Bootstyp nicht schon einmal gesehen, Sir?«
»Ich glaube – ja«, sagte Findhorn langsam.
»Doch, bestimmt.« Nicolson war sich seiner Sache jetzt sicher. »Leichtes Flakgeschütz achtern, MG auf der Brücke, und eine Kanone auf dem Vorschiff – Kaliber 8,8 oder 9,5, so ungefähr. Wenn sie uns an Bord nehmen wollen, dann müßten wir bei ihnen längsseits gehen – vermutlich neben dem Kommandoturm. Keins der beiden Geschütze läßt sich so weit senken, daß es uns dort erreichen könnte.« Er biß sich auf die Lippen und starrte voraus. »In zwanzig Minuten wird es dunkel sein –
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