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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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aufrichtete und sich von ihm zurückzog in die Dunkelheit. Er trat das Streichholz im Sand aus und fragte sie behutsam: »Und warum haben Sie Singapur gehaßt?«
    Es verging fast eine Minute, ehe sie antwortete: »Meinen Sie nicht, daß das unter Umständen eine ziemlich indiskrete Frage sein könnte?«
    »Durchaus möglich.« Er machte eine kurze Pause und sagte dann ruhig: »Aber was macht das jetzt noch aus?«
    Sie begriff den Sinn seiner Worte sofort. »Natürlich, Sie haben recht. Selbst wenn Sie aus bloßer Neugier fragen sollten – was macht es jetzt noch aus? Komisch, ich habe gar nichts dagegen, Ihnen davon zu erzählen – wahrscheinlich, weil ich sicher bin, daß Sie kein Mitgefühl heucheln würden; denn das wäre mir unerträglich.«
    Sie verstummte sekundenlang, und die Spitze ihrer Zigarette glühte hell in der Dunkelheit. »Was ich da eben sagte, ist wahr. Ich hasse Singapur wirklich. Ich hasse es, weil ich stolz bin, weil ich mir selbst leid tue, und weil es mir unerträglich ist, fehl am Platz zu sein. Aber davon verstehen Sie vermutlich nichts, Mister Nicolson.«
    »Sie scheinen mich mächtig gut zu kennen«, brummte Nicolson milde. »Aber sprechen Sie bitte weiter.«
    »Ich denke, Sie wissen, was ich meine«, sagte sie langsam. »Ich bin Europäerin, in Europa geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen, und ich habe nie etwas anderes gewußt, als daß ich Dänin bin – und genauso dachten auch alle anderen Leute in Dänemark. In Odense war ich in jedem Haus willkommen. In Singapur hat mich niemals irgendein Europäer in sein Haus eingeladen, Mister Nicolson.« Sie versuchte, ihrer Stimme einen leichten Klang zu geben. »Ich war nicht gefragt auf dem gesellschaftlichen Markt, könnte man vielleicht sagen, jemand, mit dem man nicht gern gesehen wurde. Es ist nicht besonders lustig, wenn man jemanden sagen hört: ›Hat auch etwas mit der Teerquaste abbekommen‹ – und wenn das gesagt wird, ohne daß der Betreffende es für nötig hält, seine Stimme zu dämpfen. Und dann sehen alle Leute zu einem her, und man geht niemals wieder in dieses Haus. Ich weiß, die Mutter meiner Mutter war Malaiin, doch sie ist eine wunderbare alte Dame, gütig und –«
    »Nehmen Sie es nicht so schwer. Aber ich kann mir vorstellen, das muß ziemlich übel gewesen sein. Und die Engländer waren die übelsten, stimmt's?«
    »Ja, allerdings.« Sie verstummte und sagte dann zögernd: »Warum sagen Sie das?«
    »Soweit es sich um den Aufbau des Empire und um die Verwaltung von Kolonien handelt, haben wir Engländer den besten Menschentyp entwickelt, den es auf der ganzen Welt gibt – und auch den schlechtesten. Singapur ist der Tummelplatz von Leuten dieses schlechtesten Typs, und diese Leute sind wirklich eine Sache für sich. Sie halten sich für Gottes auserwähltes Volk, mit einer zweifachen Lebensaufgabe: erstens ihre Leber in einer möglichst kurzen Zeit alkoholisch einzupökeln, und zweitens dafür zu sorgen, daß diejenigen, die nicht zu den Auserwählten gehören, sich dieser Tatsache immer bewußt sind – auf daß die Söhne Hams bis ans Ende ihrer Tage Holzhacker und Wasserträger bleiben. Diese Leute sind natürlich alles gute Christen, Eckpfeiler der Kirche und fleißige Besucher des Gottesdienstes – soweit es ihnen gelingt, am Sonntagmorgen rechtzeitig nüchtern zu werden. Sie sind allerdings nicht alle so, nicht einmal in Singapur; Sie haben eben einfach nicht das Glück gehabt, einem der anderen zu begegnen.«
    »Ich hatte nicht erwartet, das gerade von Ihnen zu hören«, sagte sie langsam, und ihre Stimme klang überrascht.
    »Wieso nicht? Es stimmt.«
    »Das meinte ich nicht. Es war nur, daß ich nicht erwartet hatte, Sie so reden zu hören, als ob Sie – ach was, ist ja egal.« Sie lachte ein wenig gezwungen. »So wichtig ist die Farbe meiner Haut nun auch wieder nicht.«
    »Stimmt. Reden Sie ruhig weiter. Drehen Sie das Messer ordentlich in der Wunde herum.« Nicolson trat seine Zigarette mit dem Absatz aus. Als er weitersprach, war seine Stimme bewußt grob, fast brutal. »Für Sie ist Ihre Hautfarbe wichtig, verdammt wichtig, doch das sollte sie nicht sein. Schließlich ist Singapur nicht die Welt. Wir hier mögen Sie, und ob Sie einen bräunlichen Teint haben, das ist uns völlig gleichgültig.«
    »Ihrem jungen Offizier da – Mister Vannier –, dem ist es nicht völlig gleichgültig«, sagte sie leise.
    »Reden Sie keinen Unsinn – und versuchen Sie, gerecht zu sein. Wie er

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