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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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McKinnon starrte nach unten in das Boot. Als er jetzt sprach, klang seine Stimme sonderbar abwesend und gleichgültig.
    »Macht sowieso nichts mehr, Sir – der Motor ist hin.« Er machte eine Pause und sagte dann ruhig. »Die Zündung, Sir – die Handgranate scheint genau darunter explodiert zu sein.«
    »Großer Gott, nein! Die Zündung? Vielleicht kann der Zweite Ingenieur –«
    »Das kann keiner reparieren, Sir«, unterbrach ihn McKinnon ohne Hast. »Da ist kein Stück mehr heil.«
    »So also ist das.« Nicolson nickte langsam und starrte auf die zerschmetterte Zündung, halb betäubt, während er sich in Gedanken die erschreckenden Folgen auszumalen versuchte, die sich aus der Tatsache ergaben, daß diese Zündung unbrauchbar geworden war. »Nicht mehr viel zu machen, was?«
    McKinnon erschauerte. »Ich glaube, da ist eben einer über mein Grab gegangen«, sagte er. Er starrte in das Boot, auch noch, nachdem Nicolson die Lampe ausgemacht hatte. Dann berührte er Nicolsons Arm und sagte: »Soll ich Ihnen mal was sagen, Sir? Das ist eine verdammte Ecke bis nach Darwin, wenn man den ganzen Weg rudern soll.«
    Sie hieß Gudrun, erzählte sie ihm, Gudrun Jörgensen Drachmann, wobei Jörgensen der Name ihres Großvaters mütterlicherseits war. Sie war zu drei Viertel dänisch, dreiundzwanzig Jahre alt, und geboren in Odense, am Tag des Waffenstillstandes 1918. Abgesehen von zwei kurzen Aufenthalten in Malaya hatte sie ihr ganzes Leben in Odense verbracht, bis sie dann nach Abschluß ihrer Ausbildung als Krankenschwester auf die Plantagen ihres Vaters in der Nähe von Penang gekommen war. Das war im August 1939 gewesen.
    Nicolson, der auf dem Rücken lag, gegen den Rand der Senke gelehnt, die Hände unter dem Kopf gefaltet und den Blick nach oben auf die dunkle Wolkendecke gerichtet, ohne sie zu sehen, wartete auf die Fortsetzung ihres Berichts, wartete darauf, daß sie weitersprach; er hoffte, sie würde weitersprechen. Wie war noch dieses Zitat, das der alte Willoughby – ein eingefleischter Junggeselle – ihm früher so oft entgegengehalten hatte? »Wie weich und sanft« – ja, das war es, aus dem König Lear. »Wie weich und sanft war ihrer Stimme Klang.« Wenn man Willoughby fragte, weshalb er ›die verfluchten Fallstricke der geheiligten Ehe‹ – wie er sich auszudrücken pflegte – vermieden habe, so war sein gleichbleibendes Argument: ein Weib – und Willoughby konnte in dieses Wort eine Welt von Verachtung legen – mit einer solchen Stimme, weich und sanft: er hatte auch nicht eines gefunden. Doch vielleicht hätte Willoughby seine Meinung geändert, wenn er in den zwanzig Minuten, die verstrichen waren, seit Nicolson zurückgekommen war und Kapitän Findhorn Meldung erstattet hatte, um dann nachzusehen, wie es dem Jungen ging, gleich ihm hier an dieser Stelle gesessen hätte.
    Zwei Minuten vergingen, eine dritte, und sie sagte noch immer nichts. Schließlich drehte Nicolson langsam den Kopf zu ihr herum.
    »Sie sind ziemlich weit fort von zu Hause, Miss Drachmann. Und Dänemark – waren Sie gern dort?« Er hatte es nur gefragt, um irgend etwas zu sagen, und war überrascht von der Heftigkeit ihrer Antwort.
    »Ich habe es geliebt!« Es war etwas Endgültiges in ihrer Stimme, es klang, wie wenn jemand von etwas spricht, was unwiederbringlich verloren ist. Der Teufel hole die Japaner, der Teufel hole das lauernde U-Boot, dachte Nicolson grimmig. Er wechselte abrupt das Thema.
    »Und Malaya? Dürfte kaum ebenso hoch bei Ihnen im Kurs stehen, wie?«
    »Malaya?« sagte sie mit veränderter Stimme, während sie leicht mit den Schultern zuckte. »Penang war eigentlich ganz in Ordnung. Aber nicht Singapur. Ich – ich habe Singapur gehaßt!« Ihre Gleichgültigkeit war plötzlich wie weggewischt, sie sprach leidenschaftlich, schien sich aber im nächsten Augenblick darüber klarzuwerden, wieviel sie durch diesen Gefühlsausbruch verraten hatte, denn sie sprach plötzlich mit veränderter Stimme von etwas ganz anderem. Sie streckte die Hand aus und berührte ihn am Arm. »Ich hätte gern auch eine Zigarette. Oder haben Sie etwas dagegen?«
    »Es scheint mir leider sehr an althergebrachter Höflichkeit zu fehlen.« Er reichte ihr sein Päckchen mit Zigaretten hinüber und brannte ein Streichholz an; als sie sich zu ihm beugte, um die Spitze ihrer Zigarette in die Flamme zu halten, konnte er wieder einen letzten Rest von Sandelholz und den schwachen Duft ihres Haares riechen, bevor sie sich

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