Die Überlebenden der Kerry Dancer
machen?« Die Stimme des Mädchens schreckte ihn aus seinen Gedanken auf.
»Leider nein. Wir können nur abwarten, weiter nichts.«
»Ja, aber – können Sie nicht hinausfahren zu dem U-Boot und – und irgend etwas unternehmen?«
»Gewiß, ich weiß. Mit dem Buschmesser zwischen den Zähnen an Bord schleichen, die Mannschaft überwältigen und im Triumph mit dem U-Boot nach Haus fahren. Sie haben die falsche Art von Groschenheften gelesen, meine Dame.« Ehe sie etwas erwidern konnte, streckte er die Hand aus und faßte sie am Arm. »Das war billig und häßlich. Seien Sie mir nicht böse. Aber wir könnten den Japanern keinen größeren Gefallen tun, als auf irgendeinen derartigen Unsinn zu verfallen.«
»Könnten wir denn nicht mit dem Boot wegsegeln, ohne daß die Japaner uns hören oder sehen?«
»Liebes Mädchen, das war die erste Möglichkeit, die wir uns überlegt haben. Führt zu nichts. Wir würden möglicherweise wegkommen, aber wir kämen nicht weit. Sobald es hell wird, würde das U-Boot uns finden oder die Flugzeuge – und dann würden diejenigen von uns, die nicht erschossen werden, ertrinken. Komisch, van Effen war von dieser Idee auch sehr angetan. Aber es wäre nichts weiter als eine beschleunigte Methode, Selbstmord zu begehen«, schloß er abrupt.
Sie dachte eine Weile nach. »Aber Sie halten es jedenfalls für möglich, von hier fortzufahren, ohne daß es jemand hört?«
Nicolson lächelte. »Sie sind eine reichlich beharrliche junge Dame, finden Sie nicht auch? Doch, ja, das ist möglich, besonders dann, wenn jemand an einer anderen Stelle der Insel irgendein Ablenkungsmanöver durchführt, um die Aufmerksamkeit der Japaner irrezuführen. Warum fragen Sie?«
»Die einzige Möglichkeit, von hier wegzukommen, ist doch, bei dem U-Boot den Eindruck zu erwecken, als wären wir nicht mehr hier. Könnten nicht zwei oder drei von Ihnen mit dem Boot wegrudern – vielleicht zu einer dieser kleinen Inseln, die wir gestern sahen –, während die übrigen hier irgendein Ablenkungsmanöver machen?« Sie sprach jetzt rasch, mit eifriger Stimme. »Wenn das U-Boot feststellt, daß das Boot nicht mehr da ist, dann würde es von hier wegfahren und –«
»Und schnurstracks zu einer dieser kleinen Inseln hinfahren – da es ja klar wäre, daß wir dorthin gerudert sind –, würde feststellen, daß dort nur ein paar Mann von uns sind, uns den Garaus machen, das Boot versenken, dann hierher zurückkehren und den Rest, der hiergeblieben ist, erledigen.«
»Ach so.« Sie ließ die Stimme sinken. »Das habe ich mir gar nicht klargemacht.«
»Nein, aber so würden unsere gelben Freunde denken. Sehen Sie mal, Miss Drachmann –«
»Gudrun, bitte. Vergessen Sie nicht, wir haben das Kriegsbeil begraben, ja?«
»Ich bitte um Verzeihung – Gudrun. Aber hören Sie bitte auf, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen, ja? Das einzige, was Sie damit erreichen könnten, wäre, daß Sie Kopfschmerzen bekommen. Wir haben uns das alles auch schon überlegt, und es führt zu nichts. Und wenn Sie nichts dagegen haben, dann möchte ich jetzt gern versuchen, einen Augenblick zu schlafen. Ich muß in kurzer Zeit van Effen ablösen.«
Er wollte gerade einnicken, als erneut ihre Stimme an sein Ohr drang. »Jonny?«
»Barmherzigkeit«, brummte Nicolson. »Bitte, nicht noch einen großartigen Einfall.«
»Hören Sie, ich habe mir das eben noch einmal durch den Kopf gehen lassen, und –«
»Weiß Gott, Sie lassen nicht locker.« Nicolson seufzte resigniert und richtete sich auf. »Nun?«
»Es würde doch nichts ausmachen, daß wir eine Weile hierbleiben, wenn nur das U-Boot wegfährt, nicht wahr?«
»Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Bitte, beantworten Sie meine Frage, Jonny.«
»Nein, das würde gar nichts schaden. Im Gegenteil, das wäre eine gute Sache – und wenn wir uns etwa vierundzwanzig Stunden lang hier versteckt halten könnten, ohne daß man uns hier vermutet, dann würden die Japaner vermutlich die Suchaktion einstellen. Jedenfalls würden sie dann nicht mehr hier in diesen Gewässern suchen. Und auf welche Weise wollen Sie das U-Boot dazu bringen, anzunehmen, wir wären nicht mehr hier? Wollen Sie hinausfahren und die Japaner hypnotisieren?«
»Ich finde Ihre Antwort gar nicht witzig«, sagte sie ruhig. »Wenn es nun hell wird, und das U-Boot würde dann feststellen, daß unser Boot nicht mehr da ist – ich meine, das brauchbare –, dann würden sie doch annehmen, daß wir auch
Weitere Kostenlose Bücher