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Die Überlebenden der Kerry Dancer

Die Überlebenden der Kerry Dancer

Titel: Die Überlebenden der Kerry Dancer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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ließ sich nicht genau feststellen. Jedenfalls war er leer, und so blieben ihnen nur noch knapp zwölf Liter Trinkwasser in dem letzten Kanister. Nicolson hatte sofort den Vorschlag gemacht, alle Insassen des Bootes auf eine Wasserration von zweimal täglich zweieinhalb Unzen zu setzen, abgemessen mit dem Maßbecher, der zur stehenden Ausrüstung eines jeden Rettungsbootes gehörte; alle, mit Ausnahme des Kleinen, der so viel bekommen sollte, wie er haben wollte. Es hatte nur ein oder zwei leise Stimmen des Widerspruchs gegeben, die Nicolson überhaupt nicht beachtet hatte. Am Nachmittag des folgenden Tages, als McKinnon Miss Drachmann das drittemal Wasser für Peter gab, hatten sich zwei von Sirans Leuten von ihrem Platz vorn im Boot erhoben und waren nach hinten gekommen, jeder bewaffnet mit einer schweren metallenen Riemendolle. McKinnon hatte rasch zu Nicolson hingesehen, festgestellt, daß er schlief – er hatte fast die ganze vorhergehende Nacht Wache gehalten –, und die beiden Männer mit ruhiger Stimme aufgefordert, sich an ihren Platz zurückzubegeben. Der Revolver in seiner Hand verlieh diesem freundlichen Vorschlag einigen Nachdruck. Der eine Mann war zögernd stehengeblieben, doch der andere war mit einem Satz vorgeschnellt, fauchend wie ein wildes Tier, während die Riemendolle in seiner Hand mit solcher Wucht herunterfuhr, daß sie den Schädel des Bootsmanns wie eine verfaulte Melone gespalten haben würde, wenn sie ihr Ziel erreicht hätte. Doch McKinnon hatte sich zur Seite geworfen, während sich seine Finger gleichzeitig um den Abzug krümmte und der Mann, durch den Schwung seines eigenen Angriffs, kopfüber hinten über das Heck schoß. Er war tot, noch ehe er auf das Wasser aufschlug. Dann hatte McKinnon seinen Colt wortlos auf den anderen Mann gerichtet. Doch das war eine unnötige Geste; der Mann starrte voller Furcht auf den Lauf der Pistole, aus dem noch der Rauch in einem dünnen, blauen Faden hochstieg, dann machte er hastig kehrt und begab sich stolpernd zurück an seinen Platz vorn im Bug. Nach diesem Zwischenfall hatte es über das Trinkwasser keinerlei Streit mehr gegeben.
    Zu Beginn der Reise, vor sechs Tagen, hatte es überhaupt keinen Streit gegeben. Die Moral an Bord war ganz groß gewesen, die Hoffnungen der Insassen noch größer, und sogar Siran, der noch an den Nachwirkungen der Gehirnerschütterung zu leiden hatte, war erstaunlich hilfsbereit gewesen und hatte dafür gesorgt, daß seine Leute gleichfalls mit anfaßten; Siran war alles andere als ein Narr und war sich völlig darüber klar, daß die Möglichkeit, mit dem Leben davonzukommen, davon abhing, daß sich die Kräfte aller Mitreisenden vereinten – eine Notgemeinschaft, die genauso lange dauern würde, wie sie ihm vorteilhaft erschien.
    Sechsunddreißig Stunden nach dem Verschwinden des U-Bootes waren sie gestartet, vierundzwanzig Stunden, nachdem der letzte Aufklärer die Insel überflogen hatte, ohne etwas zu entdecken. Sie waren losgesegelt bei Sonnenuntergang, in einer leichten mitlaufenden Dünung und vorangetrieben vom Monsun, der gleichmäßig aus Norden geweht hatte. Die ganze Nacht und fast den ganzen darauffolgenden Tag waren sie vor dem Wind gelaufen, und die ganze Zeit über war am Himmel nicht ein einziges Flugzeug erschienen. Am Abend, als die Ostspitze der Insel Banka eben über den rotgoldenen Horizont im Westen heraufstieg, hatten sie ein U-Boot gesichtet, das keine zwei Meilen von ihnen entfernt auftauchte und sich dann in gleichmäßiger Fahrt nach Norden entfernte. Vielleicht hatte man sie vom U-Boot aus gesehen, vielleicht auch nicht – es war denkbar, daß das Rettungsboot vor dem Hintergrund des dunkelnden Meeres und der Dämmerung am östlichen Himmel nicht auszumachen gewesen war.
    In der Nacht darauf hatten sie den Macclesfield-Kanal passiert. Sie hatten angenommen, daß dies der schwierigste und gefährlichste Teil der Reise werden würde. Hätte der Wind sich gelegt, oder wäre er umgeschlagen, oder hätte er auch nur um einige wenige Strich nach West oder Ost gedreht, dann wären sie verloren gewesen. Dann hätte man sie bei Tagesanbruch von Land aus klar gesichtet. Doch der Passat hatte unverändert aus Norden geweht, sie hatten kurz nach Mitternacht Liat auf Steuerbordseite passiert und waren lange vor Sonnenaufgang weit an der Insel Lepar vorbei. Und genau um zwölf Uhr mittags hatte das Glück sie endgültig im Stich gelassen.
    Der Wind hatte schlagartig aufgehört. Den ganzen

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