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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
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und jetzt kam das wohl oder übel heraus.
    (Beate Keller, 2011 )
    Die Angehörigen, in der Zwangslage, von Ultimatum zu Ultimatum aufs Neue bangen und hoffen zu müssen, gehen mit der Angstsituation unterschiedlich um.
    »Ich weiß noch«, erzählt Horst Meijer-Werner, dessen Mutter Cäcilie Meijer-Werner sich in der »Landshut« befand, »ich saß im Büro eines Anzeigenleiters beim Axel-Springer-Verlag. Plötzlich klingelte sein Telefon, er nimmt den Hörer ab, guckt mich an und sagt: ›Ihre Mutter ist entführt worden.‹ Worauf ich nur sagte: ›Prost, geht’s gut oder was?‹ – So begann die Geschichte.«
    Der Sohn ist in dieser Situation zunächst auf sich allein gestellt. Der Vater ist schon gestorben, der Bruder im fernen Südamerika. Die Telefonrechnung, so erinnert sich Horst Meijer-Werner, habe nach diesen Tagen rund 6000 Mark betragen.
    Am vorletzten Entführungstag taucht ein entfernter Freund aus dem Tennisverein bei ihm zu Hause auf, um ihm beizustehen. Er hat schon alles Nötige für die Übernachtung mitgebracht. »Er war mir sehr willkommen! Wir haben miteinander Schach gespielt, tagelang, bis der erlösende Anruf kam.«
    So belastend die Situation für Horst Meijer-Werner war, gab er doch die Hoffnung, seine Mutter lebend wiederzusehen, nie auf. »Mein Bruder und ich waren immer überzeugt, dass meine Mutter die Entführung überleben würde. Wir hatten bis dahin nur unnatürliche Todesfälle in der Familie, und wir haben gesagt: Mutter wird es schaffen, diese Kette zu durchbrechen.«
    Erster Ansprechpartner für die Familien Müll, Meijer-Werner und die der weiteren Geiseln ist die Deutsche Lufthansa. Die Angehörigen sitzen in einer Maschine dieser Fluggesellschaft, die zwar mit den Hintergründen der Entführung nichts zu tun hat, in deren Obhut sich aber die Geiseln als Lufthansa-Passagiere befinden.
    Als Gewissheit darüber besteht, dass der Flug LH 181 von Palma nach Frankfurt nicht aus technischen Gründen von seiner Route 61 abgekommen, sondern entführt worden ist, richtet die Deutsche Lufthansa einen Krisenstab ein. Dieses Szenario ist schon bei früheren Zwischenfällen erprobt worden, so beim Absturz einer Lufthansa-Maschine in Nairobi 1974.   Der jetzige Krisenstab besteht aus zehn Personen und tagt in der Frankfurter Unternehmenszentrale. Den Vorsitz übernimmt, wie schon 1974 , Flugkapitän Werner Utter, ein Mitglied des Lufthansa-Vorstands. Der Krisenstab verfolgt die Lage rund um die Uhr und trifft Entscheidungen, sofern die Lufthansa etwas zu entscheiden hat. Er versucht, die Versorgung der Passagiere im entführten Flugzeug mit Medikamenten sicherzustellen, und informiert Angehörige über neue Entwicklungen. »Es ist der Versuch, mit technischen Mitteln alle Fäden in der Hand zu behalten – sofern sie greifbar sind«, schreibt Dieter Vogt in diesen Tagen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Arbeit des Krisenstabes.
    Eine Erstversorgung von Angehörigen ist gleich nach Bekanntwerden des Entführungsfalles nötig. Am 13.   Oktober, einem Donnerstag, finden sich 15 Angehörige auf dem Rhein-Main-Flughafen ein, wo die »Landshut« landen soll. Psychologisch geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lufthansa überbringen ihnen die Nachricht der Entführung, bevor sie über Radio und Fernsehen verbreitet wird.
    Die medizinische Versorgung der Passagiere in der Maschine klappt gut. Die Terroristen lassen zwar keine Geiseln wegen schlechter Gesundheit frei, akzeptieren aber die Zufuhr von Medikamenten. So kann Matthias Rath, einem Diabetiker, in Dubai Insulin gebracht werden. Der Bruder von Matthias Rath hatte den Krisenstab über die Zuckerkrankheit seines Bruders informiert.
    Zu der Frage, wie regelmäßig die Lufthansa die Angehörigen während der fünf Tage mit Informationen auf dem Laufenden hielt, gibt es unterschiedliche Erinnerungen. Manche der 2011 nochmals befragten Geiseln und Angehörigen sprechen von täglichen Anrufen aus Frankfurt, andere beklagen, überhaupt nicht informiert worden zu sein. Hier könnte es sich, bedingt durch die 62 traumatische Situation, um Erinnerungslücken handeln. Unmittelbar hinterher hat es jedenfalls keine öffentliche Kritik an der Lufthansa-Informationspolitik gegeben.
    Die Arbeit des Lufthansa-Krisenstabes (wie auch die der Bundesregierung) erweist sich auch deshalb als schwierig, weil der arabisch-afrikanische Raum, in den die »Landshut« entführt wurde, kommunikationstechnisch schlecht angebunden ist. Es gibt

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