Die Ueberlebenden von Mogadischu
zu den beiden anderen Frauen hat sie sich bis heute nicht zu dem Ereignis geäußert.
Gabriele Dillmann ist eine Persönlichkeit, die während der Entführung besonders beherzt auftritt. »Ich bewunderte diese Frau, die vielleicht fünf bis acht Jahre älter war als ich«, schreibt die frühere Geisel Diana Müll über die Art und Weise, wie Gabriele Dillmann den Passagieren begegnete. »Obwohl auch ihr oft der Schrecken ins Gesicht geschrieben stand, war sie immer präsent, strahlte Ruhe und Zuversicht aus, versuchte zu helfen und zu trösten, wo es ging, und wurde dadurch für uns ein Rettungsanker, eine zuverlässige Anlaufstelle in diesem Katastrophenstrom.«
Gabriele Dillmann widmete sich den Passagieren mit besonderer Fürsorge und trat zugleich couragiert gegenüber den Entführern auf. »Diese kleinen Eigenmächtigkeiten«, schildert Heinrich Breloer in seiner dokumentarischen Erzählung Todesspiel , »wird sie während der ganzen Entführung ausbauen und verteidigen. Immer wieder unterläuft sie die Befehle der palästinensischen Hijacker, 127 flüstert den Passagieren Nachrichten zu, errichtet einen kleinen Puffer zwischen den angeschnallten Opfern und ihren Entführern.«
Es ist dann auch Gabriele Dillmann, die am Montag, 17. Oktober 1977 nachmittags, den ergreifenden Funkspruch an die Bundesregierung absetzt, in dem sie, um Worte ringend, den Ernst der Lage vermittelt. Die Maschine steht seit dem frühen Morgen in Mogadischu, das letzte Ultimatum der Entführer läuft gleich ab.
Gabriele Dillmann gibt auch dieser Situation der äußersten Verzweiflung noch ein menschliches Antlitz.
Hannelore Piegler, die Vorgesetzte von Gabriele Dillmann, empfindet deren Auftreten während der fünf Tage, wie sich aus ihrem Buch schließen lässt, nicht als selbstbewusst, sondern als selbstherrlich, nicht als helfend, sondern als gefährlich. Sie selbst will nichts tun, was die Entführer zu falschen Handlungen verleiten könnte, und sie möchte auch nicht, dass ihre Mitarbeiterinnen dies tun. Gabriele Dillmann tritt mutig, aber sozusagen ohne Mandat auf. Hannelore Piegler erlaubt sich weniger Handlungsspielraum, ist aber die Chefin. Es kommt zu Spannungen, die auch von den »Landshut«-Passagieren registriert werden. Auf Durchsagen, die Gabriele Dillmann macht (und sich dabei nicht mit ihrer Chefin abstimmt), folgen Durchsagen von Hannelore Piegler zum selben Thema.
Zurück in Deutschland, muss Gabriele Dillmann sich für ihr vorschriftswidriges Verhalten – es war ihr verboten worden, mit Geiseln zu sprechen oder sie gar in den Arm zu nehmen – rechtfertigen, die Lufthansa leitet eine Art disziplinarisches Verfahren gegen sie ein.
Eine Entschuldigung für das ihr zugefügte Leid hat Gabriele von Lutzau, ehemalige Dillmann, von der Lufthansa nie erwartet und im Übrigen auch nie bekommen. Die Fluggesellschaft, so sagt sie, konnte schließlich nichts für die Entführung, sondern wurde in die Ereignisse hineingezogen. Die ihr aufgezwungene Anhörung hingegen hat sie ihrem ehemaligen Arbeitgeber bis heute nicht vergessen.
128 »Die Deutsche Lufthansa hätte sich ihren Angestellten gegenüber deutlich solidarischer verhalten können«, sagt Gabriele von Lutzau 35 Jahre später. »Wenn ich daran denke, dass ich mich hinterher bei meinem Arbeitgeber für mein Verhalten in der ›Landshut‹ rechtfertigen musste, kommt immer noch Wut in mir hoch. Ich hatte ja gegen die ausdrücklichen Anweisungen mit den Passagieren gesprochen und sie in den Arm genommen! Bei diesem Gespräch, das eigentlich ein Tribunal war, verlor ich dann ein bisschen die Fassung und sagte den Damen und Herren: ›Entschuldigen Sie, aber ich glaube, ich habe alles richtig gemacht. Wenn Sie ein Disziplinarverfahren einleiten wollen, dann tun Sie es. Aber ich glaube, mein Verhalten hat den Menschen gutgetan.‹«
Im Lufthansa-Archiv liegen Briefe von befreiten Geiseln, die Gabriele Dillmann für ihren Einsatz danken und herzliche Grüße bestellen . Sie hat, wie sie sagt, keinen dieser Briefe je zu Gesicht bekommen.
Das Verfahren gegen Gabriele Dillmann verläuft im Sand. Sie kehrt nicht mehr in ihren Beruf zurück.
129 Wut auf die Bundesregierung
Einige Geiseln kommen im gedanklichen Nachgang des Dramas zu dem Schluss, dass die Bundesregierung ihre Freilassung nicht um jeden Preis betrieben hat. Mit dieser Auffassung lagen sie in dem Sinne richtig, dass »Freilassung« nicht die Abschiebung von Terroristen bedeuten durfte. Ein Austausch
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