Die Ueberlebenden von Mogadischu
meine, das ist doch ein furchtbarer Gedanke.
Man kann nicht neunzig Menschen ganz einfach draufgehen lassen, nur um ein paar Terroristen in den Gefängnissen zu behalten – das kann man nicht, das war meine Ansicht.
Abb. 7 : Hannelore Brauchart, ehemals Piegler, Chefstewardess in der entführten Maschine, hängte nach der Befreiung ihren Beruf an den Nagel. Sie schrieb über ihr traumatisches Erlebnis ein Buch. 119
120 Aber ich habe natürlich schon gefragt, warum entführt ihr eigentlich eine Maschine, auf der Mamas und Papas und Omas und Opas und so absolut unbedeutende Leute drauf sind? Warum entführt ihr nicht jemanden, der das Sagen hat? Da würdet ihr spektakuläre Schlagzeilen machen, und da würde euch das vielleicht gelingen. Ihr seht ja, es tut keiner etwas für uns. Warum macht ihr das? Na ja, haben sie dann gesagt, mein Gott, an die kommt man auch schwer heran. Sie würden natürlich lieber irgendjemand Potenten entführen als uns kleine Bürger, unbedeutende. Und ich habe dann gefragt, ob das denn überhaupt notwendig sei, diese Entführungen. Ich meine, die ganze Welt beschäftigt sich mit dem Palästina-Problem. Und da haben sie gesagt, ja, mein Gott, immer wenn irgend so eine Gräueltat gesetzt wird, ist garantiert wieder irgendwo eine Konferenz, in Genf oder weiß der Kuckuck wo, jedenfalls die Zeitungen sind wieder mal voll, und das Thema ist eben wieder einmal präsent, für den Zeitungsleser, für jeden Fernseher, und da wird dann effektiv was getan, während, wenn sie nur mit Flugzetteln oder mit friedlichen Mitteln agieren würden, würde die Masse der Menschen nicht mehr aufmerksam zuhorchen oder überhaupt ihnen nur eine kleine Aufmerksamkeit schenken. Aber bei solchen Taten, da funktioniert das gut.
Was machst du jetzt die halbe Stunde, die letzte kostbare halbe Stunde, was macht man da? Aber das war ja nicht ... ich hab nur dran denken müssen, wer bringt mich hier um, wer hat ... Ich kann nichts sagen, ich möchte irgendetwas sagen, ich möchte etwas zurücklassen, ein letztes Wort jetzt. Ich möchte sagen, dass uns jetzt nicht nur die Terroristen umbringen. Wenn wir jetzt sterben müssen, bringen uns auch diejenigen um, die uns nicht helfen.
121 »Das Bedrückende möge verblassen«
Das Leben muss weitergehen. Beate Zerbst kehrt nach zwei Wochen an ihren Arbeitsplatz zurück, weil ihr Vater sagt, das sei die beste Therapie. Auch Jürgen Vietor sitzt am 5. Dezember 1977 wieder in einem Cockpit, allerdings nur als Gast, um seine mentale Verfassung zu checken. Vom 29. Dezember 1977 an arbeitet er wieder nach Dienstplan als Kopilot. Den ersten Einsatz hat er ausgerechnet auf der reparierten »Landshut«.
Der erste Brief, den die Deutsche Lufthansa an die befreiten Geiseln schreibt, ist ein Serienbrief. »Wir bestätigen«, heißt es in einem standardisierten Schreiben an Beate Zerbst vom 25. Oktober 1977 , »dass Frl. Beate Zerbst an Bord der entführten Lufthansa-Maschine war. Alle Ausweispapiere wurden ihr von den Entführern abgenommen, so dass sie zurzeit keine besitzt und sich nicht ausweisen kann.«
Auf dem nächsten Brief, den Beate Zerbst von der Lufthansa erhält, steht überhaupt kein Datum, es handelt sich ebenfalls um einen Serienbrief. Darin heißt es, »selbstverständlich bemühen wir uns, Ihnen Ihr Eigentum so schnell wie möglich zuzustellen. Sicher werden Sie verstehen, dass die Identifizierung des Handgepäcks und der Gegenstände, die an Bord verblieben, nur mit Ihrer Hilfe möglich ist.« Geiseln, die am Flughafen Palma Reisegebäck aufgegeben hatten, sollen den Inhalt in einem beigefügten Formular beschreiben.
In einem nächsten Schritt gleichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lufthansa die Gegenstände aus der »Landshut« mit den Gegenständen, die auf den Listen genannt waren, ab. Es zeigt sich, dass zwischen dem Zeitpunkt der Geiselbefreiung und dem Rückflug der Maschine nach Deutschland viele Gegenstände verloren gegangen sein müssen. Jetzt meldet die Lufthansa diese fehlenden Gegenstände und bittet um Angabe des ungefähren Wertes. Die Geiselopfer stellen der Lufthansa eine Art Rechnung, die in fast allen Fällen vollständig beglichen wird. Eine Geisel gibt an, 122 dass ihr bei der Notlandung in Aden ihr künstliches Gebiss aus dem Mund gefallen und auf dem Boden zersprungen sei. Auch hier leistet die Lufthansa Entschädigung. Das Unternehmen zahlt sogar die überhöhten Summen, die manche Geiseln für angeblich verschwundene
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