Die Ueberlebenden von Mogadischu
landet auf dem Schreibtisch des hessischen Finanzministers Heribert Reitz.
»Innerhalb einer Woche war das Geld auf meinem Konto«, erinnert sich Hannelore Brauchart, ehemals Piegler, 2011 im Gespräch über den weiteren Gang der Dinge.
Bundesregierung und Deutsche Lufthansa erfahren früh von den persönlichen Problemen der »Landshut«-Geiseln und den Problemen mit dem noch wenig angewandten Opferentschädigungsgesetz. Presse und Rundfunk berichten immer wieder darüber. Im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hält man das für Probleme einer mangelnden Kommunikation. Ministerialdirektor Leonhard Trometer, im Arbeits- und Sozialministerium für die Kriegsopferversorgung und Rehabilitation zuständig, nimmt in einem Brief 157 an die Deutsche Lufthansa mit Datum vom 4. Januar 1978 Bezug auf »Presseveröffentlichungen«, die Kritik an der Bundesregierung übten, weil sie nicht von sich aus medizinische Hilfe für die »Landshut«-Geiseln veranlasst habe. Der Ministerialdirektor stellt fest: »Nach dem OEG haben die Passagiere der LH ›Landshut‹ Anspruch auf Heilbehandlung für alle Gesundheitsstörungen, die durch die Entführung und die damit zusammenhängenden Ereignisse verursacht sind. Da mir die Anschriften dieser Passagiere nicht bekannt sind, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie nochmals alle Passagiere der entführten LH ›Landshut‹ in geeigneter Weise auf diesen gesetzlichen Anspruch hinwiesen und sie veranlassten, gegebenenfalls einen Antrag bei dem zuständigen Versorgungsamt zu stellen; der Antrag wird unter anderem auch von den gesetzlichen Krankenkassen und von den Gemeinden sowie bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.«
Gleichzeitig schreibt Ministerialdirektor Leonhard Trometer an alle Länderministerien mit der Bitte, die Versorgungsämter zu einer »kulanten und zügigen Abwicklung« der »Landshut«-Anträge aufzufordern.
Tatsächlich wendet sich die Deutsche Lufthansa mit Datum vom 11. und 12. Januar an alle Betroffenen mit dem Hinweis, sie könnten durch das Opferentschädigungsgesetz auf einen entsprechenden Antrag hin Entschädigung oder Versorgung durch den Staat erhalten. Weiter erfolgt ein ausdrücklicher Hinweis, dass auch eine psychotherapeutische Heilbehandlung zu den Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz gehöre und das jeweils zuständige Versorgungsamt »nach formloser Antragstellung für Ihre Betreuungswünsche zuständig« sei.
Im späten Frühjahr 1978 artikuliert sich noch immer öffentlich Unmut über die komplizierte Antragspraxis. Außer in der ZDF -Dokumentation von Ruprecht Eser und Wolfgang Salewski wird weiter in der Presse Kritik laut. »Hilfe vom Staat erst auf Antrag der Geiseln«, heißt es in einem Artikel der Kölnischen Rundschau 158 vom 17. Mai 1978. Ministerialdirektor Leonhard Trometer wird mit den Worten zitiert: »Wir haben uns nichts vorzuwerfen.« Dagegen räumt die Berliner CDU -Bundestagsabgeordnete Lieselotte Berger ein, vieles sei miserabel gelaufen.
»Erst vor sechs Wochen sind meine Berliner ›Landshuter‹, wie ich sie nenne, zur Untersuchung gebeten worden. Das hätte doch gleich nach der Ankunft am 18. Oktober vergangenen Jahres geschehen müssen.«
Lieselotte Berger berichtet von dem Fall einer befreiten »Landshut«-Geisel, die zur Kur in eine Klinik für Kriegsversehrte geschickt wurde. »Kann mir ein Mensch sagen, was eine Berliner Geisel mit ihrem Kind in einem solchen Heim soll?«
Lieselotte Berger liefert ein zwiespältiges Beispiel dafür, wie sich eine Politikerin um das Schicksal der »Landshut«-Geiseln kümmert. Einerseits ergreift sie Initiative, womit sie in Bonn fast alleine dasteht: Schon nach der Befreiung hatte sie »ihren« Geiseln jeweils ein Telegramm gesandt, später noch einmal geschrieben und ihnen die Dokumentation der Bundesregierung über die Entführung von Hanns Martin Schleyer und der »Landshut« geschickt, die bald nach den Ereignissen veröffentlicht wurde. Später folgen mehrere Treffen der Abgeordneten mit den Geiseln, zunächst in Berlin, wohin auch der Leiter der zuständigen Sonderkommission im Bundeskriminalamt in Wiesbaden kommt, um Filmmaterial vorzuführen und Dias aus den »Landshut«-Ermittlungsakten zu zeigen. Im April 1978 gibt es ein Treffen in Bonn, dieses Mal ist auch die Witwe von Jürgen Schumann dabei. Die »Landshuter« und Monika Schumann werden
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