Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
Vom Netzwerk:
beherrschen sollte. Von dann ab trat regierungsseitig »Funkstille« ein.
    Es war bei dieser Begegnung Herrn Staatsminister Wischnewski vorgetragen worden, dass auch mit Blick auf die ausländischen Passagiere, die ja vom OEG nicht erfasst werden, eine generelle Entschädigung für die Verwendung als »Staatsdiener«, unabhängig von individuellen Rechtsansprüchen, erwartet werde. Herr Wischnewski sagte eine Prüfung und Beantwortung dieses Antrages zu. Hierüber und auch sonst wurde bisher nichts mehr gehört. Lediglich dem drängenden Verlangen von Herrn Professor Dr. Ploeger, Aachen, mit psychotherapeutischen Methoden nachzuhelfen, wurde Ende 1978 /Anfang 1979 nachgegeben.
    Darin sollte die Regierung aber keineswegs ein Indiz der Staatsbeflissenheit für die zugemuteten beträchtlichen Belastungen während der 106 Stunden Geiselhaft sehen. Hierfür müsste sie sich zur Glättung der Wogen des Unmutes doch etwas anderes einfallen lassen.
    Wege dazu dürften auch ohne Inanspruchnahme spezieller Rechtsvorschriften bei gutem Willen zu finden sein.

165 Die »Landshut«-Geiseln im Fokus der klinischen Psychiatrie
    Im Dezember 1977 erhalten alle Geiselopfer einen Brief des ordentlichen Professors Dr. med. Dipl. Psych. Andreas Ploeger, des Vorstands der Abteilung Medizinische Psychologie der Medizinischen Fakultät an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, der mit ihnen ein Gespräch führen will. Er stellt darin eines seiner Arbeitsgebiete vor – die Reaktion gesunder Menschen auf extreme seelische Belastungen – und verweist in diesem Zusammenhang auf seine jahrelangen Erfahrungen unter anderem mit den verschütteten Bergleuten von Lengede im Jahr 1963 sowie mit Erdbebenopfern aus der Türkei und aus Sizilien. Professor Ploeger und sein Team möchten Untersuchungen auch an den befreiten Geiseln vornehmen, sie wenden sich deshalb an alle Fluggäste und Besatzungsmitglieder der »Landshut« mit der Bitte um ein Gespräch, in dem es um die Gefühle und die Reak­tionen der Betroffenen gehen soll. Die Pilotenvereinigung Cockpit unterstütze diese Befragung nachdrücklich. Professor Ploeger möchte mit jeder Geisel ein Gespräch führen und zu diesem Zweck jeden einzeln aufsuchen. Schließlich weist er in seinem Brief darauf hin, dass es nur um die Ergründung allgemeinmenschlicher Reaktionsweisen gehe, weshalb der Name der Befragten keine Bedeutung habe, er jedoch auf Wunsch bei der endgültigen Auswertung genannt werden könne.
    Im Januar 1978 wird der Gesprächswunsch durch Post aus dem Bundesministerium des Innern flankiert. »Ich bitte Sie höflich, Herrn Prof. Dr. Ploeger bei seiner Arbeit zu unterstützen«, schreibt ein Ministerialdirektor, »da seine Untersuchungen Erkenntnisse für künftige Strategien des Umgangs mit Personengruppen in ähnlichen Situationen liefern können. An dem Ergebnis seiner Arbeit ist insbesondere das Bundeskriminalamt interessiert.«
    Der Briefautor bittet »sehr um Ihr Verständnis, wenn Sie durch die Befragung noch einmal an die schrecklichen Ereignisse erinnert 166 werden, die Sie miterleben mussten. Bedenken Sie aber bitte, dass Sie vielleicht dazu beitragen können, anderen Menschen zu helfen, die in eine ähnliche Notlage geraten.«
    Im Januar 1978 erhalten alle Geiselopfer einen Brief des Di­plom-Psychologen Wolfgang Salewski, Leiter des Instituts für Konfliktforschung und Krisenberatung, der mit ihnen ein Gespräch führen will. Er ist an den Verhandlungen mit den Entführern der »Landshut« beteiligt gewesen. Diese seien, so Salewski in seinem Brief, vor allem deshalb einigermaßen erfolgreich verlaufen, weil sein Institut bereits seit ein paar Jahren auf dem Gebiet des Terrorismus und der Geiselnahme forsche. Wolfgang Salew­ski möchte seine Forschungsarbeit ergänzen und bittet daher die »Landshut«-Geiseln, sich für ein ein- bis zweistündiges Interview zur Verfügung zu stellen. Er versichert, dass die Interviews ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken durchgeführt und streng vertraulich behandelt würden.
    An den befreiten Geiseln von Mogadischu gibt es von Anfang an ein wissenschaftliches Interesse. Anders als Andreas Ploeger, der sich erst einschalten und die Adressen der befreiten Geiseln über das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit anfordern muss, ist Wolfgang Salewski von Anfang an »im Thema«. Er war psychologischer Berater der Bundesregierung in den Entführungsfällen von Hanns Martin Schleyer und den

Weitere Kostenlose Bücher