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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
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ich erst jetzt dazu, mich für Ihre liebenswürdigen Wünsche zu bedanken und sie zu erwidern. [. . . ] Eine Lücke ist jedoch bisher geblieben. Dieser Auffassung sind auch die Passagiere, mit denen ich bisher wieder in Verbindung gekommen bin. [. . . ] Bei Unfällen, insbesondere bei Autounfällen, wird üblicherweise Schmerzensgeld gezahlt, auch ohne den sichtbaren Nachweis von Körper- oder Gesundheitsschäden. In dieser Frage wird von den Passagieren der ›Landshut‹ eine entsprechende Äußerung vermisst. [. . . ] Aus den verschiedenen Gesprächen mit einer Reihe von Mit-Passagieren glaubte ich genötigt zu sein, auch Ihnen dies einheitlich diskutierte Anliegen zur Kenntnis zu bringen.«
    Die Briefe von Everhard Wolf und Matthias Rath sind nicht typisch. Nicht viele ehemalige Geiseln haben Briefe dieses Inhalts geschrieben. Sie seien hier aber so ausführlich zitiert, weil sie ausdrücken, was sehr viele Betroffene in diesen Wochen und Monaten an anderen Stellen, in Interviews für Presse und Rundfunk, zu Protokoll geben und was sie in der Rückschau nach 35 Jahren bestätigen. Der Umgang mit ihren persönlichen Anliegen, ob es um eine medizinische Maßnahme oder um Schmerzensgeld geht, wird als völlig unbefriedigend erlebt.
    Woher rührt das Unbehagen? Die deutsche Bundesregierung behandelt die politische Dankespflicht gegenüber Staaten wie Großbritannien und Somalia, deren Regierungen bei der Geiselbefreiung geholfen haben, als Chefsache. Das muss sie auch, denn keine Landesregierung und kein Regierungspräsidium kann sich national erkenntlich zeigen. Die deutsche Bundesregierung könnte die Regelung möglicher Ansprüche von »Landshut«-Opfern ebenfalls zur Chefsache machen, sie tut es aber nicht.
    »In einem wichtigen Punkt«, schreibt Hans-Jürgen Wischnewski in seinen Memoiren, »stimmten Helmut Schmidt und ich nicht überein. Ich war der Auffassung, dass wir den Insassen der entführten Maschine ein Schmerzensgeld von 5000 DM zahlen 151 sollten, und war überzeugt, dass wir für diese Maßnahme sofort die Zustimmung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages erhalten würden. Helmut Schmidt war gegen ein Schmerzensgeld. Er wollte, dass das vom Deutschen Bundestag am 11.   Mai 1976 verabschiedete Gesetz über die Entschädigung für Opfer von ­Gewalttaten ( OEG ) jetzt zur Anwendung komme.« Dem Gesetz lag der Gedanke zugrunde, dass der Staat, der das Monopol der Verbrechensbekämpfung innehat, für die Folgen von Gewalttaten einstehen muss, vor denen er die Bürger nicht schützen konnte, und somit die Opfer von Gewalttaten – analog zu den Opfern des Krieges – durch eine staatliche Leistung zu entschädigen sind.
    In den ersten Tagen und Wochen nach »Mogadischu« kursiert noch eine andere Idee, die nicht auf die Bundesregierung zurückgeht, die Idee eines Fonds, aus dem die Opfer des RAF -Terrorismus Geld erhalten. »Wir bekommen außerordentlich viele Angebote zu Geldbeiträgen für einen solchen Fonds«, schreibt der Public-Relations-Chef Franz Cesarz in einer internen Notiz vom 19.   Oktober 1977 , »die sich überwiegend auf den Tod von Kapitän Schumann beziehen [. . . ]«. Franz Cesarz schlägt einen Fonds mit dem Arbeitstitel »Deutscher Solidaritäts-Fonds« vor. Die Deutsche Lufthansa soll 200 000 Mark zur Verfügung stellen und die Firma Daimler-Benz, in der der ermordete Hanns Martin Schleyer einmal gearbeitet hat, sowie die Dresdner Bank, den letzten Arbeitgeber von Jürgen Ponto, für eine Mitwirkung gewinnen. Danach sollen weitere Unternehmen angesprochen werden, um Kapital zusammenzutragen.
    Franz Cesarz dringt mit seinem Vorschlag beim Lufthansa-Vorstand nicht durch. Die Deutsche Lufthansa wickelt die Hinterbliebenenversorgung der Familie Schumann und die materiellen Verluste der »Landshut«-Geiseln – verloren gegangenes Gepäck, Kleidung, Schmuck – gewissenhaft ab. Darüber hinaus sieht sie keinen Handlungsbedarf. Die Fonds-Idee scheitert auch deshalb, weil die Unternehmen Daimler-Benz und Dresdner Bank eigene 152 Pläne entwickeln. Es entsteht zum Beispiel eine Stiftung, die nach dem ermordeten Hanns Martin Schleyer benannt ist.
    Mit der Entscheidung der Bundesregierung, kein pauschales Schmerzensgeld auszuzahlen, sondern auf das im Jahr zuvor verabschiedete Opferentschädigungsgesetz zu verweisen, ist der Weg zur Unterstützung der »Landshut«-Opfer zwar nicht verbaut, aber wesentlich erschwert. Die Bundesregierung sieht sich in keiner Bringschuld, sie formuliert

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