Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
Vom Netzwerk:
Selbstdarstellung von Souhaila Andrawes als »milde« Entführerin anschließt, das Buch der »Landshut«-Chefstewardess Hannelore Piegler. Diese findet einen durchaus menschlichen, persönlichen Zugang zu ihrer Entführerin im Lauf der fünf Tage und resümiert: »Sie lebt nach anderen Gesetzen als ich, die keinen gemeinsamen Nenner haben können. Und trotzdem habe ich mit ihr mehr erlebt als mit vielen anderen Menschen, denen ich mich verbunden fühle.«
    Andere Passagiere von damals zeichnen ein drastischeres Bild von Souhaila Andrawes. Auch sie habe die Geiseln drangsaliert, geschlagen, darunter ein dreijähriges, gefesseltes Kind.
    Jürgen Vietor schreibt in persönlichen Notizen, mit denen er seine Gedanken für seine Zeugenaussage im Andrawes-Prozess ordnet, »im Gegensatz zu Nadia Duaibes und Nabil Harb, die sich überwiegend neutral, ja zum Teil menschlich verhielten, wenn man dies unter den gegebenen Umständen überhaupt sagen darf, tat sich Frau 234 Andrawes zeitweise durch besondere Brutalität hervor, und ihr Gebaren war durch außerordentlichen Fanatismus geprägt«.
    Die Behauptung von Souhaila Andrawes, sie habe von den politischen Hintergründen der Entführung nichts gewusst, akzeptiert Jürgen Vietor nicht – auch sie habe die Vorträge von Mahmud in der Maschine gehört, als er den Passagieren die Motive der Entführungen erläuterte. In diesen Vorträgen habe Mahmud den Zusammenhang mit der Entführung von Hanns Martin Schleyer in Deutschland und die Forderung der RAF erwähnt.
    Jürgen Vietor empfindet angesichts der Verletzungen, die bei Souhaila Andrawes zurückgeblieben sind, kein Mitleid. Sie könnten als »Arbeitsunfall« bezeichnet werden, »der nicht eingetreten wäre, hätte sie nicht an einer Flugzeugentführung teilgenommen. Dies gehört zum Risiko einer derartigen Unternehmung.« Für ihn selbst bedeutet der Prozess gegen Souhaila Andrawes eine persönliche Wende im Umgang mit dem Thema. Fast 20 Jahre lang, sagt Jürgen Vietor, habe er seine Erlebnisse in der entführten »Landshut« nur verdrängt, die Vorbereitung auf den Prozess gab ihm Gelegenheit, »das Ganze« aufzuarbeiten.
    Jürgen Vietor sagte, wie auch Gabriele von Lutzau, als Zeuge im Prozess aus. Beate Keller ging als Besucherin hin.
     
    Einem dieser knallharten Menschen sind Sie wiederbegegnet, der Terroristin Souhaila Andrawes. Während ihres Prozesses in Hamburg haben Sie einen Verhandlungstag besucht.
    Ich war am ersten Tag da, musste dann aber den Saal verlassen, weil ich vielleicht noch als Zeugin gebraucht wurde. Dazu kam es dann nicht, und ich bin zur Urteilsverkündung hingegangen.
    Sie haben sich gesehen.
    Wir haben uns schön Auge in Auge geschaut. Aber noch schöner war die Zeit davor, als sie in Hamburg in Untersuchungshaft saß. Als ich im Auto an dem Gebäude vorbeifuhr, habe ich gedacht: »Siehst du, jetzt sitzt du in dieser Zelle, und ich bin frei. Damals warst du frei, und ich war wegen dir eingesperrt.« Dieser Gedanke bedeutete eine Genugtuung für mich.
      235 Das klingt aber nicht so, als ob Sie mit ihr innerlich Frieden gemacht hätten.
    Zusammen mit Mahmud war die Andrawes die Härteste unter den Entführern. Für mich war sie die Schlimmste, weil sie als Frau so hart aufgetreten ist.
    Frau Andrawes ist längst auf freiem Fuß.
    Das empfinde ich als ungerecht. Meinetwegen hätte sie noch ein paar Jahre im Gefängnis schmoren können.
    (Beate Keller, 2011 )
    Vergleichbare Empfindungen äußert Horst Meijer-Werner, Sohn der früheren Geisel Cäcilie Meijer-Werner: »Mir wurde das noch einmal deutlich, als die überlebende Terroristin vor einigen Jahren in Norwegen festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert wurde, wo sie ihren Prozess bekam. Als es während der Prozesstage hieß, die Frau sei heute geläutert, habe ich gedacht: Jetzt dreht sich meine Mutter wie ein Propeller im Grab! Sie hatte doch immer wieder gesagt: ›Weshalb hat das Schicksal gerade jene Terroristin verschont, der wir alle den Tod gewünscht haben, denn sie war doch eine Bestie, sie war doch die Schlimmste gewesen?‹«
    Für Diana Müll ist der Prozess gegen Souhaila Andrawes ein Anlass, »dass meine Mutter und ich uns zum ersten Mal gemeinsam dem Thema gestellt haben«. Zufällig habe die ganze Familie Urlaub auf Fehmarn gemacht. Diana Müll sagte zu ihrer Mutter: »Mama, wenn ich heute vernommen werde, bist du dabei!« Aber auch dort habe sie ja noch nicht ihre ganze Geschichte in der »Landshut« erzählt, sondern

Weitere Kostenlose Bücher