Die Ueberlebenden von Mogadischu
sie zu Souhaila Andrawes, »aber ich versuche wenigstens, Sie zu verstehen.« Sie hat während der Begegnung den Eindruck, dass Souhaila Andrawes eine Geste des Verzeihens wünscht, auch oder gerade in Gegenwart von Kameras. Eine solche Geste unterbleibt während der ungefähr zwei Stunden, die das Gespräch dauert. Umgekehrt vermisst Monika Schumann – das macht sie in der »Beckmann«-Sendung deutlich – von Souhaila Andrawes ein Wort der Entschuldigung, eine Bitte um Verzeihung bei den Opfern. Souhaila Andrawes, so glaubt Monika Schumann, will die Vergangenheit vergessen machen, ohne sich von dieser Vergangenheit wirklich loszusagen.
Monika Schumann zeigt sich über die Begegnung tief enttäuscht. Sie fühlt sich von Souhaila Andrawes instrumentalisiert. »Sie hat mich ja nur empfangen«, sagt sie zu Reinhold Beckmann, »weil sie dachte, ich würde genau das Gleiche machen wie eine der Geiseln [Brigitte Pittelkow; Anm. d. Verf.], die da war und ihr verziehen hat, und das würde ihr helfen, dass sie nicht ausgeliefert wird.« Monika Schumann fühlte sich plötzlich als Teil einer Inszenierung. »Das war alles Kalkül, alles. Eine absolut intelligente Frau, die genau wusste, was sie tut.« Monika Schumann plädiert 232 dafür, dass Souhaila Andrawes in die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert wird.
Kurz nach diesem Gespräch, am 25. November 1995 , wird Souhaila Andrawes in die Bundesrepublik Deutschland gebracht und in Hamburg vor Gericht gestellt – in Hamburg deshalb, weil dies der nächste Standort eines deutschen Gerichts zum bisherigen Wohnort der Angeklagten, Oslo, ist.
Beim Prozess am Oberlandesgericht Hamburg lauten die Anklagepunkte: gemeinschaftlicher Mord, versuchter Mord, erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme und Angriff auf den Luftverkehr mit Todesfolge.
In dieser Zeit berichtet die Bild am Sonntag über einen Todesfall, »der nicht in der Anklage steht« – den frühen Tod einer Geisel, der, so ist seine Witwe überzeugt, an der Entführung psychisch zerbrochen und darüber früh gestorben ist. »Sie hat meinen Mann auf dem Gewissen!«, lautet die Schlagzeile mit einem Zitat der Witwe, die, so sollen der Bericht und ein aktuelles Foto der Frau demonstrieren, selbst von der Geiselhaft in der Maschine gezeichnet ist. Der Bericht zeigt Bilder des Paares im Abstand von 14 Jahren. Der Mann sieht mit jeder Lebensetappe sichtlich gealtert aus. Während vieler Lebensjahre habe er nur mit Valium-Tabletten leben können. »Diese Frau kann doch«, wird eine Aussage der Witwe über Souhaila Andrawes zitiert, »ihre Terroraktion nicht als Jugendsünde abtun. Sie bleibt die Frau, die meinen Mann auf dem Gewissen hat. Das kann ich ihr nie verzeihen.« Ihr Mann sei diesem Albtraum nie entkommen. »Er ist tablettensüchtig geworden, weil ihn die schrecklichen Bilder nicht mehr losließen.« Die Witwe der verstorbenen Geisel zeigt sich entsetzt darüber, dass sie in den Augen von Souhaila Andrawes keinen Funken Reue und keinen Anflug von Bedauern in ihrem Gesicht erkennen kann.
Am 29. April 1996 ist Prozessbeginn gegen die jetzt 43 -jährige Souhaila Andrawes. Der Umstand, dass die überlebende »Landshut«-Entführerin in einem Hamburger Gefängnis sitzt und hier ihren Prozess bekommt, wühlt die Erinnerungen der früheren Gei 233 seln wieder auf. Über 40 »Landshut«-Geiseln sind als Zeugen geladen. Die Sichtweisen der früheren Entführerin und der früheren Geiseln prallen aufeinander. Wie harmlos oder wie gefährlich war Souhaila Andrawes in der Maschine? Will sie ihr früheres Leben als Terroristin vergessen machen, um wie in den vergangenen Jahren unbehelligt in Freiheit zu leben, oder hat sie tatsächlich einen Bewusstseinswandel durchgemacht?
Die frühere Täterin sieht sich jetzt als Opfer. Sie kann nicht verstehen, dass sie sich vor einem deutschen Gericht für eine Tat verantworten soll, die bald zwei Jahrzehnte zurückliegt. Nach eigener Darstellung war sie seinerzeit politisch ahnungslos, wusste nicht einmal von einem Zusammenhang zwischen der palästinensischen Sache und einer Forderung deutscher Terroristen. Es ist für sie nur um eine weltweite Medienaktion gegen Israel gegangen, keinesfalls um eine terroristische Kampfhandlung. Sie wurde für die Aktion ausgewählt, weil sie sicher auftreten konnte und in schicker Kleidung Sympathie gewann. Die Geiseln in der »Landshut« hat sie nach eigener Lesart freundlich behandelt.
Es gibt ein frühes Zeugnis, das sich der
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