Die Übermacht - 9
nicht sonderlich gut geklappt hat, so sehr wir uns auch bemüht haben.«
»Das Problem«, sagte Clyntahn unerbittlich, »ist, dass wir es nicht geschafft haben, die Gottlosen zu erreichen, die wir tatsächlich erreichen können . Die Gottlosen hier auf dem Festland!«
»Wen meinen Sie, Zhaspahr?«, fragte Trynair.
»Zum Beispiel Stohnar und seine widerwärtigen Freunde!«, schoss Clyntahn zurück. Er schürzte die Lippen. Dann zwang er sich dazu, sichtlich unter Anstrengung, sich wieder zu entspannen. »Aber das ist schon in Ordnung so, ich weiß ja, warum wir im Augenblick nicht an sie herankommen. Das haben Sie drei ja hinreichend deutlich dargelegt. Ich will meinen Zorn darüber nicht klein reden. Ich werde auch nicht so tun, als hielte ich das nicht nach wie vor für einen gewaltigen Fehler – einen Fehler, der sich irgendwann auch gewaltig rächen wird! Aber ich bin bereit nachzugeben – wenigstens vorerst –, was die Siddarmark und Silkiah betrifft.«
Duchairn gefror das Blut in den Adern, als ihm bewusst wurde, worauf Clyntahn hinauswollte. Gleichzeitig musste er sich gestehen, dass ihn diese Entwicklung nicht überraschte.
»Ich rede von den Gefangenen, die Thirsk letztes Jahr gemacht hat«, fuhr Clyntahn fort. »Die, bei denen es ihm aus unerfindlichen Gründen gelungen ist, sie selbst jetzt noch nicht der Inquisition oder dem Tempel zu überstellen. Das sind Ketzer , Zahmsyn! Sie haben sich gegen Gott aufgelehnt, und wir haben sie auf frischer Tat ertappt! Mein Gott, Mann, wie viele Beweise wollen Sie denn noch? Wenn Mutter Kirche nicht gegen diese Ketzer vorgehen kann, gegen wen denn dann, bitte schön! Meinen Sie vielleicht, genau diese Frage würden sich nicht im Augenblick Tausende – Millionen – von Menschen stellen?«
»Ich weiß, was Sie meinen, Zhaspahr«, erwiderte Maigwair vorsichtig, »aber Thirsk und Bischof Staiphan haben nicht gänzlich Unrecht. Wenn wir Männer, die förmlich kapituliert haben, der Inquisition überstellen, sodass sie der peinlichen Befragung unterzogen werden und die Strafen Schuelers erleiden, so wie sie es verdienen: Was geschieht dann mit unseren Männern, die vor den Charisianern kapituliert haben?«
»Mutter Kirche und die Inquisition können es sich nicht erlauben, sich durch derlei Dinge von ihren Pflichten abhalten zu lassen!«, erklärte Clyntahn unerschütterlich. »Ja, vielleicht entschließen sich die Ketzer dazu, unsere Krieger zu misshandeln. Sollten sie die wahren Söhne Gottes malträtieren, die ihnen in die Hände gefallen sind, dann wird deren Blut an den Händen der Ketzer kleben. Wir aber waschen unsere Hände in Unschuld. Denn wir tun nur das, was Das Buch Schueler und der ganze Rest der Heiligen Schrift von uns verlangen! Wir müssen es tun, wenn wir ganz auf Gott und die Erzengel vertrauen. Niemand hat uns je versprochen, es wäre leicht, Gottes Willen zu tun. Aber dadurch wird es nicht weniger unsere Pflicht, Gottes Willen zu tun. Es liegt in unserer Verantwortung! Ja, wir sollten ...«
Unvermittelt brach er den Satz ab. Duchairn verspürte die Verzweiflung, besiegt worden zu sein. Maigwair würde ihm nicht zu Hilfe kommen, trotz allem, was er gerade gesagt hatte. Maigwair teilte teilweise Clyntahns Meinung. Vielleicht wäre dieser Gleichklang nicht von Bedeutung gewesen, wäre der Großinquisitor nicht so erzürnt der Geschehnisse in der Markovianischen See wegen. So aber würde der Captain General nicht wagen zu widersprechen. Auch Trynair täte das nicht. Auch er war einer Meinung mit dem Großinquisitor. Aber vor allem waren es die Dinge, die Clyntahn gerade nur angerissen, aber nicht ausgesprochen hatte, die den Widerspruch des Kanzlers erstickten.
Er sieht es als Tauschgeschäft an. Die Gefangenen gegen ein Vorgehen gegen die Siddarmark und Silkiah , dachte Duchairn verbittert. Clyntahn muss das nicht offen aussprechen, damit Zahmsyn es versteht. Aber wenn nicht wenigstens einer von ihnen mir beisteht, kann auch ich dagegen nichts einwenden. Mit einem Einwand würde ich nur erreichen, noch weniger Einfluss auf den Großinquisitor zu haben als jetzt schon. Ich verdürbe es mir für alle Zeiten mit ihm!
Er machte sich nichts vor; seine Einschätzung war richtig. Noch heute würde die Forderung, die charisianischen Gefangenen umgehend nach Zion zu überstellen, abgeschickt. Doch das Wissen, dass er es nicht verhindern könnte, ganz gleich, was er täte, reichte nicht aus, um die Schuldgefühle darüber zu besiegen, es nicht
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