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Die Übermacht - 9

Die Übermacht - 9

Titel: Die Übermacht - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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wenn der Sturm noch schlimmer würde. Er musste so rasch wie möglich nach Osten kommen. Aber mit Verminderung der Segelfläche verlöre das Schiff auch Geschwindigkeit. Die Entscheidung, wann die Segel einzuholen seien – und Yairley musste die Entscheidung treffen, bevor er sein Schiff in Gefahr brachte –, war eine reine Instinktsache. Yairley fragte sich, warum ihm die Vorstellung, mit Mann und Maus unterzugehen und zu ertrinken, so viel weniger Sorgen bereitete als die Vorstellung, durch die Kanonenkugeln des Feindes einen Arm oder ein Bein zu verlieren.
    Dieser Gedanke entlockte ihm ein kurzes Lachen. Natürlich konnte keiner der Rudergänger ihn im Sturmesbrausen und dem wasserfallartigen eisigen Regen hören. Doch sie sahen ihn lachen, blickten einander kurz an und lächelten ebenfalls.
    Yairley bemerkte es nicht. Er hatte sich abgewandt und spähte erneut in das düstere Halbdunkel im Nordwesten. Seit die Sichtverhältnisse sich derart verschlechtert hatten, hatten sie seiner Schätzung nach etwa fünfundzwanzig Meilen geschafft, möglicherweise dreißig. Wenn das stimmte, befand sich die Destiny nun etwa zweihundertsechzig Meilen südöstlich vom Ahna-Kap und etwa vierhundertsechzig Meilen südöstlich von Seidenstadt. Allerdings waren es von ihrer aktuellen Position aus in südlicher Richtung gerade einmal hundertzwanzig Meilen bis zur Hecht-Bank. Das Lächeln schwand von Yairleys Gesicht, als er vor seinem geistigen Auge die Entfernungen und Peilungen der Karte sah. Er war weit genug nach Osten gekommen, um nicht in die Silkiah-Bucht geweht zu werden – wahrscheinlich zumindest –, wenn der Wind drehte. Aber er musste noch mindestens weitere zweihundertfünfzig Meilen schaffen – wahrscheinlich sogar eher dreihundert –, bevor er die windgeschützte Tabard Reach erreichte. Es gefiel dem Captain überhaupt nicht, darüber nachzudenken, wie viele Schiffe auf der Hecht-Bank oder dem dahinter liegenden Schraper-Sund schon in Not geraten waren.
    Aber meinem Schiff wird das nicht passieren! , sagte er sich selbst und ignorierte dabei, wie sehr dieser Gedanke doch einem Stoßgebet ähnelte.
    »Enter auf, geit auf Vorsegel!«
    Im Tosen des Sturm und dem unablässigen Donnergrollen war das Kommando kaum zu verstehen. Die grimmig dreinblickenden Toppsgasten indes brauchten den Befehl auch nicht zu hören. Sie wussten genau, womit sie es hier zu tun hatten ... und sie wussten auch, wie es sich dort oben in den Rahen anfühlen würde. Mit einem gequälten Lächeln blickten sie einander an.
    »Auf geht’s, Jungs!«
    In einem solchen Sturm waren die Leewanten lebensgefährlich. Daher hasteten sie die Luvwanten empor. Doch selbst dort ließen sie mehr Vorsicht walten als sonst. Auf den Topps versammelten sie sich, hielten sich an der Takelage fest, während die Männer an Deck zu den Brassen eilten.
    Bei einer Windgeschwindigkeit von siebzehn Meilen pro Stunde lastete ein Druck von einem Pfund auf jedem Quadratzoll Segelfläche. Bei einer Geschwindigkeit von vierunddreißig Meilen verdoppelte sich dieser Druck nicht nur, sondern vervierfachte sich. Nur wehte der Wind jetzt noch deutlich kräftiger. Im Augenblick war das Vorsegel der Destiny doppelt gerefft, sodass es nicht mehr sechsundreißig Fuß lang war, sondern nur noch vierundzwanzig. Anders als ein Marssegel mit seiner Trapezform war das Vorsegel tatsächlich quadratisch, an der Ober- und der Unterkante gleich breit. Das bedeutete, seine Breite von zweiundsechzig Fuß veränderte sich über die Länge nicht. Die effektive Segelfläche musste daher von mehr als 2250 Quadratfuß auf weniger als 1500 vermindert werden. Doch der Wind mit seiner Geschwindigkeit von mehr als fünfundfünfzig Meilen in der Stunde übte immer noch einen Druck von mehr als siebzehnhundert Tonnen auf das straff gespannte Tuch aus. Eine einzige kleine Unachtsamkeit würde ausreichen, um diese ganze Energie entsetzliche Dinge mit der Takelage des Schiffes anstellen zu lassen – und bei den derzeitigen Wetterverhältnissen mochte das tödliche Folgen haben.
    »Brasst an das Vorsegel!«
    »Luv anbrassen! Lee abbrassen!«
    Das Vorsegel war so aufgespannt, dass es den Wind von Backbord achteraus nahm. Nun schwang die Fockrahe herum, als die Backbordbrasse, die achteraus zur Scheibe der Großmars und von dort aus zum Deck hinunterführte, die Luvnock der Rah anholte. Die Stärke des Windes erleichterte das Manöver: Der Wind selbst schob das Steuerbordende der Rah nach Lee, und als die

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