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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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sogar der Vater der Frau, der eine unstandesgemäße Beziehung beenden oder verhindern will. Wie auch immer, das schwarze Fischbeil in der Faust des Händlers läßt nichts Gutes erwarten. Allein die zugeneigte Ruhe der Frauen möchte noch verhindern, daß etwas anderes fließt als Fischblut.
    Ich bin der Fischhändler, denkt Fokko, da entdeckt er in den Zügen der Frau, die Joachim Beuckelaer vor mehr als vierhundert Jahren gemalt hat, unglaublicherweise das Antlitz der Merreth Winterboer, das er verloren zu haben glaubte. Er beugt sich tief über die kleine Abbildung und schaut genauer: sie ist es ohne Zweifel. Zwar ist ihr lockiges Haar kürzer geschnitten und straff nach hinten gebunden, natürlich trägt sie die langen, faltenreichen Kleider jener Zeit, aber es ist fraglos Merreths apartes Gesicht und der Ausdruck einer tiefen Selbstbelassenheit. Für einen Moment legt er eine Hand auf das Bild, dann schließt er das Buch, legt es aufs Bett und geht ein Stockwerk tiefer.
    Hinrichs Atelier befindet sich in dem größeren der drei Räume der ersten Etage mit den beiden Fenstern zur Straße. Hier steht die Staffelei, ein Arbeitstisch und an den Wänden sind Regale mit tausenden von Malereiutensilien. In dem einen der kleinen Zimmer steht eine Druckpresse, der alte, verglaste Wohnzimmerschrank mit Büchern, Ordnern und den skurillen Skulpturen, die das de-Vriesische Weltengebäude offensichtlich so diskret wie eigenwillig bevölkern. Der dritte Raum dient als Magazin, ist mit Bildern vollgestellt, die an hölzernen Stempeln lehnen oder in wuchtigen Zeichenschränken verstaut sind.
    Nach Feierabend war Hinrich mit zwei Seelachsfilets und Kartoffelsalat erschienen, hatte das Wetter verflucht, obwohl sich der Regen mit der Dämmerung verzogen hatte, legte den panierten Fisch in eine Pfanne mit Butter und garnierte den Salat mit Streifen von Gurken, die er mit einer Gabel umständlich aus einem Einmachglas gepult hatte. Es ist eine köstliche Mahlzeit gewesen, zum Nachtisch gab es einen Schnaps, und nun steht Fox schon eine Weile an seiner Staffelei und skizziert mit einem Stück Kohle die Umrisse einer Felsenlandschaft auf eine neue Leinwand.
    »Fox?«
    Von der Staffelei her ist ein Grunzen zu hören.
    »War der Fisch von deiner Tante?«
    »Ist dir schlecht?«
    Fokko lacht und tritt an eines der Fenster. Vor dem Haus brennt eine Laterne, aber ihr Licht tropft nur kleisterig auf das feuchte Pflaster, müht sich fruchtlos gegen die naßkalte, gottverlassene Nacht, die da draußen herrscht.
    »Also hat sie den Fischhandel noch«, sagt er und dreht sich um.
    Der Freund nickt nur, nimmt mit ein paar Schritten Abstand von der Leinwand und prüft das Geflecht der Kohlelinien, das Fokko wie das Detail eines der zerrissenen Fischernetze vorkommt, die man am Strand von Borkum finden kann.
    »Den Handel ja«, sagt Fox, tritt an die Staffelei zurück, ergänzt ein paar Striche, verwischt mit dem kleinen Finger der linken Hand eine Linie und nimmt abermals Abstand, um das Ergebnis zu prüfen. »Aber die Bude will sie abgeben.«
    »Lohnt sich nicht?«
    »Doch.« Er holt ein Paar Böcke und legt das Bild drauf, kleckst verschiedene Farben aus alten Joghurtbechern auf die Leinwand und verteilt sie mit einer Rolle und einem breiten Pinsel. »Sie behauptet, es läge an den Bekloppten. Ich glaube, es wird ihr zuviel.«
    »Was für Bekloppte?«
    Er wischt über die Kanten der Leinwand, beugt sich auf Augenhöhe hinab, um die Fläche gegen das Licht zu prüfen, dann legt er Pinsel und Rolle in eine Plastikschüssel, trocknet sich die Hände an einem Küchenhandtuch und macht eine Bewegung mit dem Kopf, die irgend Richtung Hafen und Fischbude deuten soll.
    »Die mit ihren Autos angefahren kommen«, sagt er mit Verachtung in der Stimme, »sich auf den Deich stellen, die Ems anglotzen und sich hinterher in Dünenbroeks Stube setzen, panierten Fisch mit Bratkartoffeln futtern und dafür lächerlich viel Geld hinblättern.«
    Er greift sich einen Clownskopf mit einem geschwungenen Rüssel und einer  knallbunten Pudelmütze, der sich bei näherem Hinsehen als Teekanne entpuppt.
    »Ich mach Tee.«
    Nimmt die Plastikschüssel mit den Malergerätschaften und verschwindet nach unten. Hier oben hat er kein Wasser, trägt alles über die enge Treppe rauf und runter, jeden Pinsel, jeden Tee. Lebt überhaupt seit jeher ein anspruchsloses, beinahe mönchische Leben. Für Hinrich stand es nie in Frage, was mit ihm geschähe, er wollte schon als Kind sein

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