Die Uhr der Skythen (German Edition)
Helene.
Ehe Fokko sich eine geistreiche Antwort überlegen könnte, die sein Alter im Ungewissen ließe, sagt Merreth: »Vierzig Jahre«.
Hinrich grinst.
»Der Meldebehörde bleibt nichts verborgen.«
In das Lachen hinein fängt Fokko ihren Blick ein. Er ist voller Zuneigung. Als wäre er seit jeher mit ihr schwesterlich verbunden, und der Fährmann und die Lehrerin schon immer Cousin und Cousine, aber unbegreiflich ist es dennoch.
Sie haben sich für den Abend in Fokkos Küche zusammengefunden, als träfen sie sich an jedem Dienstag zum Skatspielen. Fox und Helene schenkten ihm eine kleine Skulptur, den trunkenen Radfahrer, wie sie erklärte, aber er sagte lachend, der hat nur Gegenwind, das kennt der Fokko. Merreth gab ihm ein Päckchen, küßte ihn auf die Wange und setzte sich zu den anderen, als wäre es nie anders gewesen. Es gab Fisch und Bier, und ab der ersten Minute waren die vier erheitert und interessiert damit beschäftigt, ihre Leben voreinander auszubreiten wie die Landkarten der unterschiedlichen Ländern, die ihnen bislang Heimat gewesen sind.
Fokko erzählte ihre Geschichte als eine des Zufalls, die beiden Begegnungen in der Stadt, dazu die dritte im Goldenen Zeitalter, er mußte auf der Stelle den Folianten aufschlagen und Beuckelaers Fischhändlerin vorführen, Merreth schaute sich wohl nur anstandshalber das Bild an, schüttelte lächelnd den Kopf, dabei fällt mir eine Sache ein, sagte Fox, aber er kam nicht weiter, Helene ging dazwischen mit der Festellung, eine gewisse Ähnlichkeit sei zu erkennen und irgend auch nicht verwunderlich, schließlich gebe es Affinitäten auch über die Zeit hinweg und so vielfältig die Schöpfung auch sei, so sehr wiederhole sie sich. Hinrich hatte sie angeschaut wie eine Erscheinung, hatte auch, da Fokko damit beschäftigt war, den Tee zu zelebrieren, mit erhobenem Finger versucht, die Sache anzusprechen, die ihm angesichts der Fischhändlerin eingefallen war, Helene indes fragte Merreth, was sie in der Stadt gemacht habe um die Jahreswende.
Ich war nur ein paar Tage da, sagte Merreth.
Jeder war für den Moment beschäftigt, nahm Kandis in die Tasse, hielt sie Fokko hin und hob sich Sahne unter den Tee.
Ich habe eine unglückselige Geschichte abgewickelt.
Und dabei, lachte Helene, ausgerechnet jemanden aus der Heimat getroffen!
Ja.
Fokko war es unangenehm. Irgend erweckte Helene den Anschein, als wären sie ein Paar. So brachte er das Gespräch auf die alten Zeiten, zu denen die Freunde gegen den Wind gekämpft und von diversen Seemannspatenten geträumt hatten, bis Hinrich irgendwann sagte, er müsse nun los.
»Ich muss nun los«, sagt Fox, trinkt seine Tasse aus und erhebt sich. Fokko begleitet ihn und die Lehrerin vor das Haus. Der Himmel ist sternenklar.
»Gibt Frost«, sagt er.
»Jau«, bestätigt Hinrich, schlägt sich den Kragen seiner Seemannsjacke hoch und nickt zum Haus hinüber. »Nette Inspektorin.«
Als er zurückkommt, sitzt sie da und rührt im Tee. Auf dem Tisch liegt das Päckchen. Er öffnet es. Es enthält eine schlichte Fahrradklingel. Mit dem Finger schnipst er gegen die Glocke. Es gibt einen warmen Ton.
»Schön«, sagt er.
»Ich hab’ gesehen, du hast da keine am Rad…«
»Ja, danke!«
Für einen Augenblick weiß er nicht recht, wie die Geschichte weitergeht, räumt mit dem Geschirr herum, sagt was vom Frost und den Sternen, da klopft es an der Küchentür. Es ist Fox, kommt nicht richtig herein, macht nur einen langen Hals, entschuldigt sich und erklärt, ihm sei nach ein paar Schritten an der klaren Luft eingefallen, was ihm angesichts der altmeisterlichen Fischhändlerin eingefallen sei.
»Was denn?«
»Ich hab’ mit meiner Tante gesprochen.«
»Und?«
»Kannst die Fischbude haben.«
»Wie bitte?«
»Kaufen oder pachten.«
»Die Fischbude?«
»Genau die!«
»Vielleicht gar keine schlechte Idee«, überlegt Fokko.
»Schlaft drüber! Sie will Samstag Bescheid.«
»Samstag will ich nach Borkum.«
»Egal. Dann Anfang der Woche. Ich sag ihr, du kommst Montag vorbei.«
»Ja, aber…?«
Hinrich ist schon verschwunden, die Haustür geht, und die Fischbude steht plötzlich in der Mitte der Küche.
»Was soll ich machen?«
»Was er gesagt hat.«
»Was denn?«
»Lass uns drüber schlafen.«
»Gute Idee.«
Er stochert in der Kochmaschine herum, rappelt am Aschekasten, daß ein paar Funken in die Küche sprühen, dann wäscht er sich die Hände an der Spüle und fragt: »Darf ich dich nach Hause
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