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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Cordes
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beschnuppert sie ihn wie ein Beutestück, ihre schwelenden Augen dirigieren das Ereignis wie zwei Laser, ihre Lippen verbeißen sich lüstern in den seinen, seine Beine werden ihm wegsacken, den Verstand wird er binnen Sekunden komplett verloren haben, er weiß wohl, er will das auf keinen Fall, aber mehr als ein schwaches ›Laß das, Eva!‹ kann er nicht denken, ihre Finger sind längst überall auf seinem Körper, er ist nichts anderes als ein willfähriges Opfer, da findet sie seine Mitte, fordert seinen Widerstand heraus, hat unversehens das blaue Kleid mit den weißen Punkten angehoben, balanciert auf einem Masten, der bereits die sieben Meere gesehen haben mag, ehe er an Bültjers Werft zu liegen kam, einmal noch wirst du mein Fikko sein, stöhnt sie, und als sie ihn hat, wo sie ihn will, hebt sie ihre athletischen Beine, umklammert ihn für eine Sekunde freischwebend, in der sie die Uhr öffnet und auf der vorderen Kante des Schleppdachs ablegt.
    In der plötzlichen Stille umarmt sie den hilflosen Fischhändler und beginnt, ihn genüßlich zu verspeisen. Fokko hört nichts weiter als ihr erzürntes Keuchen, sie drückt ihn an die Wand der Fischbude, stemmt sich selbst auf irgendeinen Poller, verbeißt sich in seinen Hals, zappelt und windet und drückt auf ihm herum, bis endlich mit einem spitzen Schrei alle Kraft aus ihren muskulösen Gliedern rinnt. Wie ein giftiger Parasit klebt sie hechelnd an ihm und fragt leise: »Merkst du was, Fokko?«
    »Ja«, stöhnt er besinnungslos.
    »Geh mal nach vorn«, sagt sie außer Atem und klammert sich mit allen Vieren an ihn.
    »Bist du verrückt?«
    »Die Zeit steht.«
    Er hebt den Kopf und horcht in die Stille. Nur die beiden Herzen schlagen ungleich eins neben dem anderen.
    »Tatsächlich«, flüstert er, hält sie wie ein großes Kind vor sich in den Armen und trägt sie so vor die Fischbude. Das Dorffest ist zu einem elementaren Gemälde eingefroren, einer schwierig auszulegenden Allegorie auf die Unzuverlässigkeit der Zeit vielleicht, und sie stehen mittendrin in der erstarrten Festgesellschaft wie siamesische Geschwister.
    »Fällt dir nichts auf?« fragt Eva.
    »Doch«, antwortet er und schaut in ihre Augen, in denen nun plötzlich ein Märchen zu lesen steht von eiserner Zufriedenheit und immerwährendem Glück. »Du bist lebendig.«
    »Ja«, sagt sie beinahe zärtlich, »und was glaubst du, voran das liegt?«
    Er überlegt keine Sekunde, hat den neckischen Mechanismus der skythischen Uhr sofort erkannt, einen quasi erotischen Nebeneffekt der Zauberei, aber ehe er die Umstände an ihr Ende denken und eventuelle Konsequenzen begreifen könnte, verliert sein Hauptmast vor Schreck oder Scham oder einfach vor Verblüffung unverzüglich sowohl an Länge als auch an Resistenz, die parasitäre Schwester entgleitet ihm, er setzt sie geflissentlich auf die Kante des Karrussels, lehnt sie gegen ein galoppierendes Holzpferd, wo sie in ebenso reizvoller wie unvorteilhafter Pose erstarrt.
    Er schaut sich erschrocken um. Niemand regt sich. Wenn er jetzt aber die Uhr schließen würde, gäbe es eine ausgesprochen peinliche Szene. Also muß er zunächst Eva bedecken, die merkwürdig schräg mit einem angewinkelten Bein auf die Plattform des Karussells, mit dem anderen auf den Boden gestützt dahockt, und das Kleid rutscht ihr immer wieder bis auf den Bauch hinab. Da neigt er sie in ihrer Haltung nach vorn, stellt ihr die Füße auf die Erde, zieht das Kleid über die Knie und stützt die Ellenbogen auf die Oberschenkel. Ihr Kopf folgt dieser Bewegung, senkt sich langsam vornüber, daß es aussieht, als wäre sie in Trauer oder tiefes Nachdenken gefallen.
    Niemand hat gesehen, was geschehen ist. Niemand könnte es sich vorstellen, dennoch schämt er sich dafür und will es auf der Stelle vergessen. So geht er hinter die Fischbude, nimmt die Uhr vom Schleppdach, schließt sie und steckt sie in die Tasche seines Kittels. In dem zurückkehrenden Lärm hört er einen Schrei und ein Poltern. Er rennt nach vorn. Eva ist vom Karussell gestürzt, liegt jetzt doch recht unvorteilhaft vor dem Touristenbüro und versucht, ihre Blöße zu bedecken. Er rennt hin, hilft ihr auf und entschuldigt sich.
    »Ich dachte«, stöhnt sie, »vielleicht ist dir das zu wissen noch mal nützlich. Die Uhr ist ja schließlich an dich gebunden.«
    »Ja. Und ich an sie.«
    Sie gehen in die Fischbude zurück.
    »Wußtest du davon?« fragt er.
    »Hab mir sowas gedacht.«
    Die Kundschaft ist merkwürdig

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